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Rechtsweggarantie gilt auch für Fahrlehrer

Von Rechtsanwalt
Dietrich Jaser
www.domusjuris.de

Im Rahmen von Fahrschulüberwachungen kam und kommt es nach immer wieder zu Meinungsverschiedenheiten zwischen Fahrschulen und Erlaubnisbehörden, beispielsweise hinsichtlich der Beschäftigung von Fahrlehrern ohne festen Arbeitsvertrag oder der ordnungsgemäßen Ausbildung von Fahrschülern. Nicht selten führen solche Meinungsverschiedenheiten zur Androhung und Durchführung eines Bußgeldverfahrens, geregelt im Gesetz über Ordnungswidrigkeiten (OWiG). Wenn dann nach ordnungsgemäß durchgeführter (oft nutzloser) Anhörung der Bußgeldbescheid ins Haus (und in die Fahrlehrerakte) flattert, bleibt dem Betroffenen, der sich zu Unrecht verfolgt fühlt, nur die Möglichkeit des Einspruchs gegen den Bußgeldbescheid.

Wird dieser daraufhin nicht zurückgenommen, findet einige Wochen (oder Monate) später eine Verhandlung vor dem Amtsgericht statt. Der Amtsrichter, der möglicherweise über eine langjährige Erfahrung in Straf- und (Verkehrs-) Bußgeldangelegenheiten verfügt, hat sodann über eine verwaltungsrechtliche Zweifelsfrage zu entscheiden. Verwaltungsrechtliche Erfahrung hat der Amtsrichter in der Regel nicht. Dies führt zu der für den Betroffenen unerfreulichen Situation, dass er die Klärung verwaltungsrechtlicher Zweifelsragen auf der Anklagebank erleben muss. Genau das ist ihm aber nach einem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG 07.04.2003 – 1 BvR 2129/02) unzumutbar, denn einem Betroffenen ist nicht zuzumuten, die Klärung verwaltungsrechtlicher Zweifelsfragen auf der Anklagebank erleben zu müssen; vielmehr hat er ein schutzwürdig anzuerkennendes Interesse daran, den Verwaltungsrechtsweg als „fachspezifischere“ Rechtsschutzform einzuschlagen, insbesondere wenn ihm ein Ordnungswidrigkeitenverfahren (OWi-Verfahren) droht (BVerfG a.a.O.).

In dem vom BVerfG entschiedenen Fall kündigte der Landkreis in einer verwaltungsrechtlichen Angelegenheit dem Betroffenen die Einleitung eines OWi-Verfahrens an. Dieser hatte aber schon wenige Tage zuvor beim Verwaltungsgericht gegen die Bezirksregierung und zusätzlich gegen den Landkreis Feststellungsklage erhoben und zugleich um die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes in einem Eilverfahren gem. § 123 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) nachgesucht. In der Hauptsache war bis zur Entscheidung des BVerfG noch nicht entschieden worden.

Das Verwaltungsgericht lehnte den Eilantrag mit der Begründung ab, die Voraussetzungen des § 123 Abs. 1 VwGO lägen nicht vor, weil er […] eine Vorwegnahme der Hauptsache begehre, ohne dass ihm unzumutbare Nachteile drohten. Es sei ihm nämlich zuzumuten, seine Rechte gegenüber dem Landkreis im angekündigten OWi-Verfahren durch Einlegung der für dieses Verfahren vorgesehenen Rechtsmittel wahrzunehmen. Mit der Beschwerde hatte der Beschwerdeführer keinen Erfolg; das Oberverwaltungsgericht folgte der Auffassung, der Beschwerdeführer könne zur Klärung seiner Berechtigung auf das OWi-Verfahren verwiesen werden. Damit war der Rechtsweg erschöpft und der Weg zur Verfassungsbeschwerde eröffnet.
Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügte der Betroffene neben der Verletzung von Art. 12 Abs. 1 (Berufsfreiheit) und Art. 14 Abs. 1 GG (Eigentumsgarantie) auch einen Verstoß gegen Art. 19 Abs. 4 GG (Rechtsweggarantie). Einen Verstoß gegen letztere sah das BVerfG als gegeben und erklärte: „Das Verfahrensgrundrecht des Art. 19 Abs. 4 GG garantiert […] nicht nur den Zugang zu den Gerichten, sondern gewährleistet darüber hinaus auch die Effektivität des Rechtsschutzes“ und stellte fest, dass die beiden Gerichte dem Betroffenen keinen effektiven Rechtsschutz gewährt und ihm einstweiligen Rechtsschutz vollständig verwehrt hätten, indem er auf die ihm zur Verfügung stehenden Rechtsmittel im angekündigten Bußgeldverfahren verwiesen wurde.

Nach Auffassung des BVerfG stellt das Bußgeldverfahren in solchen Fällen keinen ausreichenden effektiven Rechtsschutz dar. Denn wirkungsvoller Rechtsschutz ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nur gewährleistet, wenn der Rechtsweg nicht in unzumutbarer, durch Sachgründe nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert wird.

Die Effektivität der Rechtsschutzgewährung durch den Weg zu den Gerichten ist daher (auch) anhand der Frage der Zumutbarkeit für den Einzelnen zu beurteilen. Dem folgend ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts einem Betroffenen nicht zuzumuten, die Klärung verwaltungsrechtlicher Zweifelsfragen auf der Anklagebank erleben zu müssen. Der Betroffene hat vielmehr ein schutzwürdig anzuerkennendes Interesse daran, den Verwaltungsrechtsweg als „fachspezifischere“ Rechtsschutzform einzuschlagen, insbesondere wenn dem Betroffenen ein Ordnungswidrigkeitenverfahren droht. Das BVerfG weist darauf hin, dass gerade dann, wenn Gegenstand die Anwendung und Auslegung von unbestimmten Rechtsbegriffen ist, eine fachgerichtliche Kontrolle in besonderem Maße angezeigt ist.

Das Fahrlehrergesetz, die Durchführungsverordnung dazu und die verschiedenen Ausbildungs- und Prüfungsordnungen für Fahrlehrer und Fahrschüler enthalten zahlreiche unbestimmte Rechtsbegriffe, die von den zuständigen Erlaubnisbehörden und den sie kontrollierenden Verwaltungsgerichten ausgelegt werden müssen. Sind die Gerichte zur Sachprüfung verpflichtet, können sie sich auch einer Entscheidung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren insoweit nicht entziehen.

Wenn beispielsweise ein Fahrlehrer, Fahrschulinhaber, Geschäftsführer oder verantwortlicher Leiter einer juristischen Person mit Fahrschulerlaubnis mit einem drohenden Bußgeldverfahren konfrontiert wird, so hat er nach dem oben dargestellten Beschluss des BVerfG die Möglichkeit, die verwaltungsrechtlichen Fragen vor dem Verwaltungsgericht klären zu lassen und nicht, wie es das BVerfG formuliert, auf der Anklagebank, was leider allzu häufig der Fall ist.

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