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Teure Sonderfahrten. Für die Staatskasse.

Von Rechtsanwalt
Dietrich Jaser
www.domusjuris.de

Fahrschulüberwachungen gehören zum Alltag jeder Fahrschule. Auch dass diese gelegentlich recht teuer werden können gehört zum Erfahrungsschatz jedes Fahrschulinhabers. Allerdings nicht ganz so häufig ist die Erfahrung, dass diese dann auch noch ein deutlich teureres Bußgeldverfahren nach sich ziehen kann, wie es der Fahrschule Z aus Hessen widerfahren ist. Diese ist bereits seit vielen Jahren am Markt tätig und musste daher auch schon einige Überwachungen über sich ergehen lassen – bis dahin ohne Beanstandungen.

Anhörung nur proforma?
Umso überraschter war deren Inhaber Otto Z, als ihm dann eines Tages ein Anhörungsschreiben des zuständigen Landratsamts (LRA) in Haus flatterte: Er sollte sich zu einer von ihm angeblich begangenen Ordnungswidrigkeit gemäß § 36 Absatz 1 Nr. 15 FahrlG i.V.m. § 8 Absatz 2 Nr. 2 FahrschAusbO äußern. Damit wurde ihm vorgeworfen, er habe als Fahrlehrer Sonderfahrten (Autobahnfahrten) nicht wie vorgeschrieben durchgeführt und dabei die auf den Ausbildungs- bzw. Tagesnachweisen aufgeführten 180 Minuten deutlich unterschritten. Begründet wurde dies damit, dass die Fahrschule Z jeweils zehn bzw. 15 Auto-Minuten von der jeweils nächsten Autobahnauffahrt entfernt sei und dies auf keinem Tagesnachweis ordnungsgemäß angegeben sei. Man war der Auffassung, dass die jeweils zehn oder 15 Minuten bis zur Autobahn (vom Standort der Fahrschule an gerechnet) von der Autobahnfahrt hätten abgezogen werden müssen.

Herr Z zeigte sich wegen dieses Vorwurfs einigermaßen erstaunt, wies darauf hin, dass dies bei bisher keiner einzigen der vorherigen Überwachungen moniert worden sei und erklärte, er werde die Sonderfahrten künftig entsprechend den Wünschen des LRA ausweisen.

Bußgeldbescheid: Eintausend Euro
Trotzdem erreichte ihn kurze Zeit später vom örtlichen Landratsamt ein Bußgeldbescheid mit einem Bußgeld in Höhe von 1.000 Euro. Darin wurde Otto Z zur Last gelegt, er habe als Fahrlehrer eine Ordnungswidrigkeit gemäß § 36 Absatz 1 Nr. 15 FahrlG i.V.m. § 8 Absatz 2 Nr. 2 FahrschAusbO begangen, indem er die Dauer der Fahrten von und bis zur Autobahnauffahrt (jeweils 15 Minuten) zur Sonderfahrt hinzugerechnet habe. Dies hätte er jedoch, wie fast alle anderen Fahrschulen, die weiter weg von der Autobahn ihren Sitz haben, als Überlandfahrt einplanen müssen. Somit betrügen die Sonderfahrten jeweils nur 150 Minuten und nicht die aufgeführten 180 Minuten. Außerdem habe Otto Z als Inhaber einer Fahrschule, gemäß § 16 Absatz 1 FahrlG die Pflicht dafür zu sorgen, dass die Ausbildung der Fahrschüler den Anforderungen des § 6 Absatz 1 FahrlG entspreche, hier habe er selbst keinen Ermessenspielraum.

Widerspruch: Gravierende Fehler im Bescheid

Mit diesem Bußgeldbescheid war Otto Z freilich nicht einverstanden und beauftragte den Autor dieser Zeilen mit der Prüfung der Vorwürfe.

1. Fehler: Falsche Zeitangabe
Bei näherer Überprüfung der Angelegenheit stellte sich heraus, dass Otto Z zu dem im Bescheid angegebenen Datum gar keine Sonderfahrt im Sinne der lfd. Nr. 2 der Anlage 4 zu § 5 Absatz 3 FahrschAusbO durchgeführt hatte und schon aus diesem Grund den vorgeworfenen Verstoß nicht begangen haben konnte.

2. bis 5. Fehler: Fehlende Angaben zu Anzahl, Ort und Zeit der Fahrten
Des Weiteren wurde im Bußgeldbescheid auf weitere, nicht konkret bezeichnete Sonderfahrten im Sinne der lfd. Nr. 2 der Anlage 4 zu § 5 Abs. 3 FahrschAusbO (Autobahnfahrten) Bezug genommen. Daraus war aber nicht ersichtlich, um wie viele Fahrten es sich handelte, wann diese Fahrten stattgefunden haben sollen, wo die jeweiligen Fahrten begannen und wo diese jeweils endeten. Damit war nicht nachvollziehbar, wie viele km angeblich falsch angegeben waren. Diese pauschal erhobenen Vorwürfe waren mangels Bestimmtheit nicht geeignet, eine bußgeldbewehrte Ordnungswidrigkeit nachzuweisen oder zu begründen.

6. Fehler: Fehlende Angabe zur Anzahl der Fahrschüler im Auto
Was bei den pauschal erhobenen Vorwürfen seitens des Landratsamtes auch völlig unberücksichtigt blieb, war der Umstand, dass die Autobahnfahrten häufig nicht nur mit einem einzelnen Fahrschüler alleine sondern mit zwei, gelegentlich auch drei Fahrschülern durchgeführt wurden und dass im Rahmen von sogenannten Perfektionstrainings auch Sonderfahrten durchgeführt wurden, die nicht mehr als solche erfasst wurden, weil die vorgeschriebene Stundenanzahl schon erreicht wurde.

Antrag auf Einstellung erfolglos
Zusammenfassend wurde das LRA also darauf hingewiesen, dass hier nicht feststehe, wann, wie oft und in welchem Umfang Otto Z gegen die zitierten Vorschriften verstoßen haben soll und damit die notwendige Grundlage fehle, den vom Gesetz vorgegebenen Bußgeldrahmen anzuwenden bzw. auszuschöpfen, so dass das verhängte Bußgeld willkürlich und aus der Luft gegriffen erscheine. Vor diesem Hintergrund beantragte der Autor, das Verfahren gegen Otto Z einzustellen und die Kosten des Verfahrens sowie die notwendigen Auslagen (Anwaltskosten) der Staatskasse aufzuerlegen. Doch das interessierte das LRA – wie so häufig – nicht. Es hielt den Bußgeldbescheid aufrecht und gab die Sache an die zuständige Staatsanwaltschaft ab.

Eine schallende Ohrfeige für das Landratsamt: Zurückweisung wegen „offensichtlich ungenügender Aufklärung“ des Sachverhalts
Nachdem die Staatsanwaltschaft, wie in solchen Verfahren (mutmaßlich wegen fehlender Sachkenntnis im Fahrlehrerrecht) sehr häufig der Fall, die Sache ohne weitere Prüfung an das Amtsgericht durchgereicht hatte, ordnete die zuständige Richterin im Verfahren vor dem Amtsgericht erstmalig eine ordnungsgemäße Sachaufklärung an und wies das Verfahren wegen offensichtlich ungenügender Aufklärung des Sachverhalts an das LRA gemäß § 69 Absatz 5 OWiG zurück. Die Gründe für die Zurückverweisung waren im Wesentlichen die im Anhörungsverfahren vom Autor vorgebrachten, insbesondere, dass sich aus der Akte und auch aus dem Bußgeldbescheid nicht ergibt, wann diese Sonderfahrten nicht ordnungsgemäß durchgeführt wurden und um wie viele es sich handelt. Die Angaben im Bußgeldbescheid und in der Akte waren für das Gericht nicht ausreichend, um eine Hauptverhandlung durchführen zu können.

Zweite Chance für das LRA: nicht genutzt; Verfahren endgültig eingestellt
Nachfolgend ermittelte das Landratsamt weiter. Zu diesem Zwecke hatte es mehrere Zeugen zur Anhörung eingeladen. Diese waren Fahrschüler in dem im Bußgeld genannten Zeitraum. Da diese jedoch alle an einem persönlichen Erscheinen verhindert waren, wurden die Zeugenbefragungen telefonisch durchgeführt. Fast alle Zeugen konnten jedoch nicht mehr genau sagen, wo sie von Otto Z abgeholt wurden und wo die Ausbildungsfahrt begonnen hatte. Die Zeugen wussten nur noch, dass sie zum Zeitpunkt der Sonderfahrt alleinige Fahrschüler im Schulungsfahrzeug waren. Nach Aufnahme und Niederschrift dieser Anhörungen gab das Landratsamt die Sache noch einmal nach § 69 OWiG an die Staatsanwaltschaft ab, die es wiederum an das Gericht weiterleitete. Doch auch diese Angaben genügten dem Gericht zu Recht nicht zu einer Verurteilung. Denn damit war eine ausreichende Bezeichnung des Tatvorwurfs nicht gegeben.

Der Bußgeldbescheid des Landratsamtes war also hinsichtlich des Tatvorwurfs nicht ausreichend bestimmt und damit nichtig. Das Verfahren wurde schließlich mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft endgültig nach §§ 206a StPO, 46 Absatz 1 OWiG eingestellt. Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Otto Z wurden der Staatskasse auferlegt. Der Fahrlehrer musste daher weder die Geldbuße noch irgendwelche Verfahrenskosten bezahlen. Auch den von ihm eingeschalteten Rechtsanwalt musste die Staatskasse tragen.

Fazit
Der oben geschilderte Fall ist keine Seltenheit. Immer wieder werden Bußgeldbescheide gegen Fahrlehrer erlassen, die vor Gericht keinen Bestand haben würden. Man muss nur etwas dagegen unternehmen.

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