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Kein Beschäftigungsverhältnis – Fahrlehrerlaubnis weg?

Von Rechtsanwalt Dietrich Jaser

Das in der Überschrift Angedeutete wäre die Konsequenz, wenn man der Rechtsauffassung einer bayerischen Erlaubnisbehörde folgen wollte.

Diese hatte im Juli 2019 einen Fahrlehrer aufgefordert, seinen Fahrlehrerschein vorzulegen, weil aus diesem ein seit geraumer Zeit nicht mehr bestehendes Beschäftigungsverhältnis ausgetragen werden sollte. Diese Vorgehensweise ist nicht zu beanstanden, denn § 10 Abs. 2 Satz 2 FahrlG schreibt vor, dass der Fahrlehrerschein der zuständigen Behörde bei Beginn und Ende des Beschäftigungsverhältnisses unverzüglich vorzulegen ist. Unverzüglich heißt: ohne schuldhaftes Zögern (§ 121 Abs. 1 Satz 1 BGB). Es heißt aber nicht: sofort.

Dieser Aufforderung kam der Fahrlehrer unverzüglich nach. Er legte seinen Fahrlehrerschein zur Austragung des Beschäftigungsverhältnisses vor, dieses wurde ausgetragen und der Fahrlehrerschein mit einem „Ungültig“-Stempel versehen. Als sich der Fahrlehrer daraufhin bei der Behörde beschwerte und monierte, ihm werde dadurch seine Fahrlehrerlaubnis genommen, teilte ihm der Sachgebietsleiter unter anderem das Folgende mit, mit dem wir uns sukzessive auseinandersetzen werden:

„[…] Gem. §10 Abs.2 Satz 1 Nr. 6 FahrlG muss im Fahrlehrerschein ein Beschäftigungsverhältnis eingetragen sein. Des Weiteren ist der Fahrlehrerschein bei Ende eines Beschäftigungsverhältnisses unverzüglich der zuständigen Behörde vorzulegen (§ 10 Abs. 2 Satz 2 FahrlG).[…] Hier wurde das Beschäftigungsverhältnis ausgetragen und der Fahrlehrerschein ungültig gestempelt, da dieser gem. § 10 Abs.2 Satz 1 Nr. 6 FahrlG ungültig ist, nachdem keine Beschäftigung besteht.“

Es trifft zu, dass Beschäftigungsverhältnisse im Fahrlehrerschein eingetragen sein müssen, so sie denn bestehen. Zu den Beschäftigungsverhältnissen im Sinne des § 10 Abs. 2 FahrlG zählen nicht nur Arbeitsverträge, sondern auch freie Mitarbeiterverhältnisse (ausführlich dazu: Dauer, Fahrlehrerrecht, Vogel Verlag, 2. Auflage 2020, Anmerkung 29 zu § 1 FahrlG).

Dass der Fahrlehrerschein ungültig wird, wenn kein Beschäftigungsverhältnis besteht, ist unzutreffend. Dies ergibt sich weder aus § 10 Abs. 2 S. 1 Nr. 6 FahrlG noch aus einer anderen Vorschrift des FahrlG.

Dass eine solche Schlussfolgerung nicht richtig sein kann, ergibt sich auch aus der Zusammenschau dieser Vorschrift mit § 10 Abs. 1 S. 1 FahrlG. Danach wird die Fahrlehrerlaubnis durch Aushändigung oder Zustellung des Fahrlehrerscheins erteilt. Besteht bei Erteilung der Fahrlehrerlaubnis noch kein Beschäftigungsverhältnis, müsste die Behörde nach ihrer Logik die Fahrlehrerlaubnis durch Aushändigung oder Zustellung eines ungültigen Fahrlehrerscheins erteilen. Das ergibt keinen Sinn.

Nun geht es im Schreiben des Sachgebietsleiters der Erlaubnisbehörde weiter:
„ […] Ohne Beschäftigungsverhältnis und Fortbildungen ruht die Fahrlehrerlaubnis im Sinne des § 13 FahrlG.“

Auch diese Behauptung ist falsch. Die Ruhenstatbestände sind in § 13 Abs. 1 und 2 FahrlG abschließend geregelt. Ein Ruhen der Fahrlehrerlaubnis tritt nach § 13 Abs. 1 FahrlG ein, wenn – verkürzt dargestellt – ein Fahrverbot besteht, der Führerschein in Verwahrung genommen, sichergestellt oder beschlagnahmt, die Fahrerlaubnis vorläufig entzogen oder bei einer Entziehung im Verwaltungsverfahren die sofortige Vollziehung angeordnet und die aufschiebende Wirkung nicht wiederhergestellt ist. Ferner tritt ein Ruhen nach § 13 Abs. 2 FahrlG ein, wenn ein Fahrlehrer seinen Vorlagepflichten gemäß § 11 Abs. 1 FahrlG (z.B. Gesundheitszeugnis) nicht nachkommt.

Ein fehlendes Beschäftigungsverhältnis ist in § 13 Abs. 1 und 2 FahrlG nicht genannt und kann daher nicht zum Ruhen der Fahrlehrerlaubnis führen. Da kein Ruhenstatbestand bei fehlendem Beschäftigungsverhältnis vorliegt, sind auch die weiteren Ausführungen der Behörde hierzu falsch und daher unbeachtlich:

„Hierzu ist anzumerken, dass gem. § 13 Abs.5 FahrlG bei Ruhen, teilweisem Erlöschen oder Erlöschen der Fahrlehrerlaubnis der Fahrlehrerschein unverzüglich der nach Landesrecht zuständigen Behörde zurückzugeben ist. Bei Aufnahme eines neuen Beschäftigungsverhältnisses wird dann ein neuer Fahrlehrerschein ausgestellt.“
Das ist zwar für sich betrachtet richtig. Da aber, wie oben aufgezeigt, kein Ruhenstatbestand vorliegt, ist die Vorschrift des § 13 Abs. 5 FahrlG auf diesen Fall nicht anwendbar. Sodann versteigt sich der Sachgebietsleiter zu der folgenden – unhaltbaren – Aussage:

„Wenn für einen längeren Zeitraum kein Beschäftigungsverhältnis besteht, kann vor der Wiederaufnahme einer Beschäftigung verlangt werden, dass ggf. Teile der Fahrlehrerprüfung (insbesondere Fachkunde und Lehrprobe) neu abzulegen sind, da evtl. davon ausgegangen werden muss, dass der Bewerber die fachliche oder pädagogische Eignung nicht mehr besitzt im Sinne v. § 15 Abs.2 Satz 1 FahrlG. […]“

Die Vorschrift des § 15 Abs. 2 FahrlG bezieht sich auf deren vorhergehenden Absatz 1, der vorschreibt, dass die Vorschriften für die Ersterteilung der Fahrlehrerlaubnis (mit bestimmten Ausnahmen) anzuwenden sind, wenn nach vorangegangenem Erlöschen, Rücknahme, Widerruf oder Verzicht einer Fahrlehrerlaubnis eine neue Erlaubnis beantragt wird. Der Sachgebietsleiter übersieht dabei, dass der Tatbestand des Ruhens der Fahrlehrerlaubnis in dieser Vorschrift nicht genannt ist. § 15 Abs. 2 FahrlG wäre also nicht einmal dann anwendbar, wenn die Fahrlehrerlaubnis ruhen würde, solange kein Beschäftigungsverhältnis besteht. Wie wir oben gesehen haben, tritt aber auch kein Ruhen ein, so dass der Rückgriff auf § 15 Abs. 2 FahrlG unzulässig ist.

Die weiteren unzutreffenden Aussagen des Sachgebietsleiters in seinem o.g. Schreiben lassen wir beiseite, um diesen Beitrag nicht zu überfrachten. Denn die Sache ging noch weiter, salopp ausgedrückt „in eine höhere Instanz“ und landete schließlich beim Bayerischen Staatsministerium des Inneren, für Sport und Integration (StMISI).

Nach dessen Einschaltung ruderte der Sachgebietsleiter wieder etwas zurück und formulierte die Rechtsauffassung des StMISI in einem weiteren Schreiben rund dreieinhalb Monate später wie folgt:

[…] Im Staatsministerium des Inneren, für Sport und Integration wird die Auffassung […] insoweit geteilt, dass die Ausstellung eines neuen Fahrlehrerscheines auch ohne ein Beschäftigungsverhältnis aus praktischer Sicht möglich ist.

Gem. § 2 Abs. 4 DV-FahrlG ist bei jeder Änderung, wie hier Ende des Beschäftigungsverhältnisses, ein neuer Fahrlehrerschein zu erstellen. In diesem Zug wird aber auch der „alte“ Fahrlehrerschein ungültig, da wie vergleichbar zum Führerschein oder der Fahrerlaubnis immer nur eine gültige Fahrlehrerlaubnis bzw. ein gültiger Fahrlehrerschein erteilt werden kann.

Es besteht somit für Sie, bzw. für die betroffenen Fahrlehrer die Möglichkeit, sich zum Nachweis der Fahrlehrerlaubnis einen neuen Fahrlehrerschein ohne Beschäftigungsverhältnis ausstellen zu lassen. Hierfür sind jedoch Kosten in Höhe von 24,00 EUR zu erheben. Bei einer Wiederaufnahme der Beschäftigung als Fahrlehrer ist dann erneut ein neuer Fahrlehrerschein auszustellen, für den wieder Kosten i.H.v. 24,00 EUR anfallen.

Abweichend hiervon besteht weiterhin die Möglichkeit den Fahrlehrerschein im Original bei der Fahrerlaubnisbehörde zur Verwahrung abzugeben und eine Kopie für die eigenen Unterlagen zu erhalten. Oder, wenn die Mitnahme des Originales gewünscht ist, ist dieser als „ungültig“ zu kennzeichnen und eine Kopie für die Akte zu fertigen und zu verwahren. Bei diesen beiden Vorgehen würden dann nur einmalig die 24,00 EUR an Kosten zur Ausstellung eines neuen Fahrlehrerscheines fällig werden.“

Ein Anliegen bei der Neugestaltung des Fahrlehrerrechts war neben anderen, wie z.B. der Erhöhung der Verkehrssicherheit, die Entbürokratisierung. Ob das angesichts solcher Aussagen gelungen ist, mag jeder für sich selbst beurteilen.

Problematisch bei der Sache ist, dass die neue Vorschrift des § 2 Abs. 4 FahrlGDV tatsächlich vorschreibt, dass bei jeder Änderung ein neuer Fahrlehrerschein auszufertigen ist und die Behörde sich darauf berufen wird, solange nicht die Unwirksamkeit dieser Vorschrift gerichtlich festgestellt ist.

Die Chancen dafür stehen gut. Denn die Vorschrift des § 2 Abs. 4 FahrlGDV ist unzweifelhaft nichtig, weil es dafür keine gesetzliche Ermächtigungsgrundlage gibt.

Die einzig in Betracht kommende Ermächtigungsgrundlage wäre § 68 Abs. 1 Nr. 5 FahrlG. Diese Vorschrift erlaubt es dem Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates das Muster des Fahrlehrerscheins und des Anwärterscheins (Fassung bis 31.12.2019) sowie das Verfahren der Aus- und Zustellung (Fassung ab 01.01.2020) zu regeln.

Die Vorschrift des § 2 Abs. 4 FahrlGDV wurde durch Verordnung vom 2. Januar 2018 geschaffen. Die zu diesem Zeitpunkt gültige Fassung des § 68 Abs. 1 Nr. 5 FahrlG enthielt nur die Ermächtigung zur Regelung des Musters des Fahrlehrerscheins (und des Anwärterscheins). Die Vorschrift, bei jeder Änderung einen neuen Fahrlehrerschein auszufertigen betrifft aber nicht die Festlegung eines Musters sondern normiert völlig unabhängig von der Gestaltung des Musters die Pflicht für die Behörde, einen neuen Fahrlehrerschein auszustellen und die Pflicht für den Fahrlehrer, dies zu dulden (Dauer, a.a.O., Anmerkung 10 zu § 2 FahrlGDV).

Sofern die Regelung des § 2 Abs. 4 FahrlGDV unter den Begriff des Verfahrens der Ausstellung des Fahrlehrerscheins (Fassung des § 68 Abs. 1 Nr. 5 FahrlG ab dem 01.01.2020) subsumiert wird, ändert sich nichts an der Nichtigkeit dieser Vorschrift. Denn eine Rechtsverordnung muss im Zeitpunkt ihrer Ausfertigung eine gültige Ermächtigungsgrundlage haben.

Eine verfassungswidrige, nichtige Rechtsverordnung kann nicht durch die Schaffung einer nachträglichen gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage geheilt werden (Jarass/Pieroth, Kommentar zum Grundgesetz, 15. Auflage 2018, Randnummer 20 zu Art. 80 sowie Dauer, a.a.O. Anm. 5 zu § 2 FahrlGDV m.w.N.). Diese Vorschrift müsste, um Wirksamkeit zu erlangen, aufgrund einer geänderten oder ergänzten Ermächtigungsgrundlage neu erlassen werden. Ein Neuerlass des § 2 Abs. 4 FahrlGDV ist bis zur Abfassung dieses Beitrags nicht erfolgt, so dass diese Vorschrift auch nach heutigem Stand nichtig ist und deshalb von der Justiz nicht angewandt werden darf.
Allerdings gilt auch hier der alte Grundsatz: Wo kein Kläger da kein Richter.

Es steht also zu befürchten, dass dieser „Bürokratieabbau“ weiter Früchte trägt. Man stelle sich nur vor: Ein junger, „frischer“ Fahrlehrer geht innerhalb eines Jahres nacheinander acht Beschäftigungsverhältnisse ein (was er darf), man verträgt sich teilweise nicht, vier werden wieder beendet und drei neue kommen hinzu. Das wären dann 15 neue Fahrlehrerscheine innerhalb eines Jahres, die Ersterteilung nicht mitgerechnet. Die Bundesdruckerei freut sich.

Dietrich Jaser
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Spezialist für Fahrlehrerrecht
www.domusjuris.de

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