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Fahrlehrer werden – auch ohne Berufsausbildung!

Von Rechtsanwalt Dietrich Jaser

Nach der Reform des Fahrlehrergesetzes (FahrlG) im Jahre 2017 (Inkrafttreten 2018) und einer Nachbesserung des reformierten FahrlG 2019 (Inkrafttreten 2020) ist es jetzt leichter als bisher möglich, auch ohne abgeschlossene Berufsausbildung zum Beruf des Fahrlehrers zugelassen zu werden. Nach bisher ergangenen Entscheidungen zu Ausnahmeerteilungen bestätigt nun eine brandneue verwaltungsgerichtliche Entscheidung: Ein mittlerer Schulabschluss stellt mindestens eine gleichwertige Vorbildung zu einer abgeschlossenen Berufsausbildung in einem anerkannten Lehrberuf im Sinne des § 2 Fahrlehrergesetzes dar.

Ohne gleichwertige Vorbildung: Anspruch auf fehlerfreie Ermessensausübung im Rahmen einer Ausnahmeerteilung

Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (VGH) in München hat schon Ende 2019 (Beschluss vom 18.12.2019 – Az.: 11 C 19.1139) einer Fahrlehreranwärterin, die nach mehrjähriger Berufstätigkeit in verschiedenen Branchen aber ohne abgeschlossene Berufsausbildung zur Fahrlehrerprüfung zugelassen werden wollte, einen möglichen Anspruch im Rahmen einer Ausnahmeerteilung darauf zugebilligt, wenn sie einen erfolgreich absolvierten Berufseignungstest für den Fahrlehrerberuf vorlegt. In eine ähnliche Richtung geht eine Entscheidung des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts (OVG) in Bautzen (Sächsisches OVG, 14.12.2020 – Az.: 6 B 162/20). Dieses ist zu dem Schluss gekommen, dass ein mittlerer Schulabschluss (Mittlere Reife, Realschulabschluss) in Verbindung mit einer mehrjährigen Berufstätigkeit (ca. 4 Jahre) und einem erfolgreich absolvierten Berufseignungstest der Behörde nicht mehr viel Ermessensspielraum lässt, eine Zulassung zur Fahrlehrerprüfung im Wege einer Ausnahmeregelung zu verweigern, auch wenn keine abgeschlossene Berufsausbildung nachgewiesen wird.

Mit gleichwertiger Vorbildung: Anspruch auf Zulassung ohne Ermessensspielraum der Behörde

Nun geht das Verwaltungsgericht (VG) Darmstadt mit einer zu begrüßenden Entscheidung (Gerichtsbescheid vom 28.05.2021 – Az.: 3 K 1871/18.DA) noch einen Schritt weiter. In dem vom VG entschiedenen Fall ging es um eine 25jährige Bewerberin, die bei der zuständigen Behörde einen Antrag auf Erteilung einer Fahrlehrerlaubnis bzw. Zulassung zur Fahrlehrerprüfung stellte. Unter anderem legte sie dafür ihren Lebenslauf und ein Schulzeugnis über das Erreichen des mittleren Abschlusses (Realschulabschluss) vor. Über eine abgeschlossene Berufsausbildung verfügte die Bewerberin nicht.

Nach kurzem Schriftwechsel lehnte die Behörde den Antrag der Bewerberin ab. Zur Begründung führte die Behörde aus, dass die Bewerberin die Anforderungen des § 4 Absatz 1 Satz 2 Nr. 5 i.V.m. § 2 Absatz 1 Satz 1 Nr. 5 FahrlG (abgeschlossene Berufsausbildung in einem anerkannten Lehrberuf oder eine gleichwertige Vorbildung) nicht erfülle. Die Behörde stellte sich auf den Standpunkt, dass als gleichwertige Vorbildung mindestens ein höherer Schulabschluss (z.B. allgemeine Hochschulreife, Fachhochschulreife) anzusehen sei. Ein Realschulabschluss genüge nicht. Dagegen erhob die Bewerberin erfolgreich Klage zum VG Darmstadt.

Die Argumentation der Behörde ließ das VG Darmstadt nicht gelten, sondern stellte fest:

„Die Klägerin erfüllt die Voraussetzung der „gleichwertigen Vorbildung“ aus § 2 Abs. 1 Nr. 5 FahrIG und kann deshalb nicht wegen deren Fehlen von der Fahrlehrerprüfung ausgeschlossen werden.“

Zur Begründung führte das VG aus, die Klägerin (Bewerberin) besitze einen Realschulabschluss und damit eine gleichwertige Vorbildung im Sinne dieser Norm. In der folgenden weiteren Begründung setzte sich das VG intensiv mit der Historie des FahrlG und der gesetzgeberischen Intention insbesondere bei der Reform des FahrlG 2017 auseinander und kam zu dem Ergebnis:

„Die Gesamtschau der Gesetzeshistorie sowie deren Begründung spricht dafür, dass ein Realschulabschluss als gleichwertig zu einer Berufsausbildung anzusehen ist.“

Dieses Ergebnis untermauerte das VG mit einer vergleichenden Betrachtung der Bildungswege zu einer anerkannten Berufsausbildung und einem Realschulabschluss, wobei es mit absolut überzeugenden Argumenten der ohnehin auf einer anderen Rechtslage basierenden Argumentation des OVG Münster (Urteil vom 03.06.1996 – Az.: 25 A 6898/95) mit einer bloßen Gegenüberstellung der jeweiligen in Jahren bemessenen Ausbildungsdauer ausdrücklich nicht folgte, sondern richtigerweise auf eine Gegenüberstellung der Gesamtstundenzahlen in den Kernfächern Deutsch, Mathematik und erste Fremdsprache abstellte. Zudem sei es auch nicht ersichtlich, wieso eine Berufsausbildung, abgesehen von pädagogisch geneigten Berufsausbildungen wie z.B. zum Erzieher, die im Fahrlehrerberuf erforderliche hinreichende pädagogische Kompetenz mehr fördern solle als ein Realschulabschluss. Denn den Fahrlehreranwärtern werde im Rahmen ihrer Ausbildung ohnehin „pädagogisch-psychologisches und verkehrspädagogisches Professionswissen“ vermittelt (vgl. Anlage 1, Abschnitt 1.2 zu § 2 der Fahrlehrer-Ausbildungsverordnung).

Schließlich zeige auch der Blick auf gesetzliche Wertungen in anderem Zusammenhang, dass mindestens von der Gleichwertigkeit eines Realschulabschlusses und einer abgeschlossenen Berufsausbildung auszugehen sei. Eine abweichende Wertung wäre ein Widerspruch zur Gesamtheit der Rechtsordnung. So zeige § 9 der Hessischen Verordnung über die Berufsschule eindeutig, dass ein Realschulabschluss höherwertig sei als eine Berufsausbildung.

Die Norm gehe davon aus, dass eine einfache Berufsausbildung hinsichtlich der vermittelten Kenntnisse in Wort und Sprache nicht ohne weiteres denen einer Realschulausbildung entspreche, sondern geringwertiger sei (vgl. VG Darmstadt a.a.O. Seite 12). Denn ein Hauptschulabschluss mit einer Berufsausbildung allein genügt danach nicht, um gleichzeitig einen mittleren Abschluss zu erwerben. Vielmehr sieht das Gesetz vor, dass insbesondere im Hinblick auf Sprachfähigkeiten sowohl in Deutsch als auch in Fremdsprachen, eine Mindestanzahl an Stunden sowie Mindestleistungen erbracht worden sind.

Eine solche Wertung lässt sich auch für den Freistaat Bayern aus Art. 11 Absatz 2 Satz 2 des Bayerischen Gesetzes über das Erziehungs- und Unterrichtswesen herleiten. So wird in Bayern mit einem erfolgreichen Berufsschulabschluss (nur dann) der mittlere Schulabschluss verliehen, wenn

  1. im Abschlusszeugnis ein Notendurchschnitt von mindestens 3,0,
  2. ausreichende Kenntnisse in Englisch, die dem Leistungsstand eines fünfjährigen Unterrichts entsprechen, und
  3. eine abgeschlossene Berufsausbildung nachgewiesen werden.

Daraus, dass die abgeschlossene Berufsausbildung nur eine von mehreren kumulativ erforderlichen Voraussetzungen für die Gleichstellung des Berufsschulabschlusses mit dem Realschulabschluss darstellt, folgt meines Erachtens zwingend, dass der Bayerische Realschulabschluss eine höherwertige Vorbildung als die abgeschlossene Berufsausbildung allein darstellt.

Der Unterschied der Darmstädter Entscheidung zu den oben genannten Entscheidungen des VGH München und des OVG Sachsen liegt darin, dass es keiner Ausnahme vom Erfordernis des § 2 Absatz 1 Satz 1 Nr. 4 FahrlG (abgeschlossene Berufsausbildung oder gleichwertige Vorbildung) gemäß § 54 Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 c FahrlG bedarf, weil der Realschulabschluss bereits eine mindestens gleichwertige Vorbildung zur abgeschlossenen Berufsausbildung darstellt. Damit hat die Erlaubnisbehörde keinen Ermessensspielraum bei der Zulassung zur Fahrlehrerprüfung mehr, wenn die übrigen Voraussetzungen des § 2 Absatz 1 FahrlG (nachzulesen unter https://www.gesetze-im-internet.de/fahrlg_2018/__2.html) vorliegen.

Zum Ergebnis (meines Erachtens mindestens) einer Gleichwertigkeit des mittleren Bildungsabschlusses mit einer abgeschlossenen Berufsausbildung gelangt für das Bundesgebiet auch das von Prof. Dr. Hermes (Goethe-Universität Frankfurt/Main) im Auftrag der Bundesarbeitsgemeinschaft der Fahrlehrerausbildungsstätten (BAGFA) und der MOVING International Roadsafety Association e.V. erstellte Gutachten mit dem Titel „Der Zugang zum Beruf des Fahrlehrers und das Vorbildungserfordernis des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 FahrIG“ vom 06.09.2019, auch wenn sich dieses noch auf die Rechtslage bis 31.12.2020 bezieht.

Fazit
Menschen, die sich für den Fahrlehrerberuf begeistern, haben nach der oben dargestellten Rechtsprechung unterschiedliche Wege, ohne abgeschlossene Berufsausbildung zu ihrem Wunsch- oder Traumberuf zu gelangen.

Menschen mit einem mittleren Schulabschluss (Realschulabschluss) oder höher erfüllen bereits das Kriterium der gleichwertigen Vorbildung, ohne dass eine Ausnahmeerteilung erforderlich ist. Wer einen geringerwertigen Bildungsabschluss erworben hat, kann ggf. nach einer Berufstätigkeit von einer gewissen Dauer und einem erfolgreich absolvierten Berufseignungstest, wie er z.B. von dem o.g. MOVING International Roadsafety Association e.V. angeboten wird, von der Möglichkeit einer Ausnahmeerteilung profitieren.
Es empfiehlt sich in jedem Fall vor Antragstellung fachkundigen Rat bei einem auf das Fahrlehrerrecht spezialisierten Rechtsanwalt einzuholen, damit der Weg zum Erfolg von Anbeginn richtig eingeschlagen wird.

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