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Theorie: Präsenzunterricht gewünscht

Eine erneute Umfrage des Interessenverbands Deutscher Fahrlehrer (IDF) unter Fahrerlaubnisbewerbern ergab wiederum ein klares Votum für die Beibehaltung des Präsenzunterrichts im Rahmen der theoretischen Fahrerlaubnisausbildung. Selbst ein nur teilweises digitales Angebot, wie zum Beispiel blended learning lehnten die Befragten mit deutlicher Mehrheit ab.
In der Wissenschaft ist die Effektivität von digitalem Lernen sehr umstritten. Zusammenfassende Auswertungen von Untersuchungen (Metaanalysen) zeigen laut Dr. Heike Schaumburg, dass gerade computerunterstütztes Lernen (blended learning) eine vergleichsweise geringe Effektivität aufweist, und selbst neuere Untersuchungen ergaben nur sehr geringe Effekte in Bezug auf die Lernwirksamkeit.

Die Lernwirksamkeit hängt von verschiedenen Faktoren ab, von denen einige im Folgenden näher beleuchtet werden:

1. Motivation
– Online-Unterricht erfordert zunächst einmal in jedem Fall eine Einweisung in die korrekte Arbeitsweise. Die Fahrerlaubnisbewerber müssen dazu vorab ein mehr oder weniger umfangreiches Einführungsmodul bearbeiten. Oft werden Anleitungen jedoch einfach durchgeklickt. Somit können bereits zu Beginn zumindest für einige Betroffene Probleme auftreten, mit dem Online-Unterricht zurecht zu kommen. Daraus ergibt sich zwangsläufig ein größerer Zeitaufwand, der nicht selten demotiviert.

– Außerdem ergab eine Umfrage des Interessenverbands Deutscher Fahrlehrer (IDF) unter Fahrerlaubnisbewerbern ein klares Votum für die Beibehaltung des Präsenzunterrichts. Ein auch nur in Teilen ersatzweises digitales Angebot lehnten die Befragten mit deutlicher Mehrheit ab. Wenn so tiefgreifende Veränderungen – also weg vom Präsenzunterricht hin zum Online-Learning – gegen den Willen der allermeisten Betroffenen durchgesetzt werden, wirkt das erfahrungsgemäß als krasser Motivationskiller und ist somit kontraproduktiv für die Steigerung der Verkehrssicherheit.

2. Lernen und Lernerfolg
– Digitales Lernen setzt immer voraus, dass die Hardware PC, Handy, Tablet) einsatzbereit und für den Betroffenen verfügbar ist, Materialien bereitgehalten, Aufgaben vorbereitet werden müssen usw. Es wäre utopisch, davon auszugehen, dass jeder Fahrerlaubnisbewerber über einen geeigneten Arbeitsplatz dafür verfügt, vor allem, wenn der Online-Unterricht Interaktiv angeboten wird (Vernetzung aller Teilnehmer analog zu einer Videokonferenz).

– Und selbst wenn diese Voraussetzung erfüllt wäre, so lauert im häuslichen Bereich ein enormes Ablenkungspotential während der Lernphasen, insbesondere wenn es auf digitalen Unterricht zu festen Zeiten hinausläuft.

– Jede Unterbrechung schmälert jedoch nach neuropsychologischen Erkenntnissen den Lernerfolg ganz erheblich, und zwar durch dieses sogenannte „Mediale Multitasking“: Diejenige Aktivität, die nebenbei noch betrieben wird (eingehende Anrufe, whatsapps…) schmälern den Lernerfolg deshalb so drastisch, da unser Gehirn Inhalte nacheinander und in den seltensten Fällen parallel verarbeitet. Hierzu hat Prof. Dr. Martin Korte von der TU Braunschweig wissenschaftliche Befunde vorgelegt.

– Durch die aufgabenfremde Nutzung des Handys oder des PC während des digitalen Lernens entstehen enorme Lernerfolgsverluste. Wissenschaftliche Befunde belegen, dass 97 Prozent der Befragten ihr Gerät während der Lernphase aufgabenfremd nutzen. Und das nicht nur mal so schnell nebenbei. Dies nimmt nach McCoy (Universität Nebraska-Lincoln) etwa 21 Prozent der angesetzten Arbeitszeit in Anspruch. Der Lehrende hat beim Online-Learning auch keine Kontrollmöglichkeit bzw. im Rahmen eines interaktiven digitalen Unterrichts nur eine sehr geringe Chance, diese Fremdnutzung abzustellen. Eine Beobachtungsstudie in den USA zeigte, dass Schüler sich im Durchschnitt nur maximal sechs Minuten am Stück auf die Aufgaben konzentrierten, bevor sie ihre Teilnahme am Online-Unterricht wieder für eine andere Computer- oder Handynutzung unterbrachen.

– Der Erziehungswissenschaftler Professor Dr. Heiner Barz von der Universität Düsseldorf bezeichnet das während der Coronakrise praktizierte Homeschooling als bildungspolitische Bankrotterklärung und eine pädagogische Zumutung. Er weist insbesondere darauf hin, dass das soziale Miteinander in Präsenzgruppen durch kein noch so gutes Online-Angebot ersetzt werden kann.
– Präsenzunterricht leistet in den allermeisten Fällen auch einen wichtigen Beitrag zum Aufbau einer vertrauensvollen sozialen Beziehung zwischen Fahrschüler und Fahrlehrer. Soziales Verhalten entwickelt sich in erster Linie durchgemeinsames Tun und durch Gespräche. Dies ist beim Online-Unterricht überhaupt nicht oder nur sehr bedingt möglich. Soziale Kompetenz ist jedoch eine enorm wichtige Bedingung für die Anbahnung von Einstellungen und Verhaltensweisen, die zur Entwicklung eines sozialen Verkehrsverhaltens führen und so eine verantwortungsbewusste Teilnahme am Straßenverkehr ermöglichen.

– Außerdem entsteht durch Präsenzunterricht ein Vertrauensverhältnis zwischen Fahrschüler und Fahrlehrer, das für eine effiziente fahrpraktische Ausbildung unverzichtbar ist.

– Im Gegensatz zum Online-Unterricht kann sich regionaler Präsenzunterricht auch immer wieder auf regionale Gefahrenpunkte beziehen. Es ist jederzeit möglich, dazu gezielte Fragen der Fahrerlaubnisbewerber zu klären.

3.Online-Unterricht
in Schulen versus Fahrschulen
– Im Bereich von Schule und Hochschule existieren bereits eine Reihe von erfolgversprechenden Konzepten zum Online-Learning, die allerdings überwiegend nur eine geringe Effektivität bewirken. Es wäre jedoch ein fataler Fehlgriff, wenn man diese Konzepte deckungsgleich auf den Theorieunterricht in der Fahrschule überträgt. In Schulen kann Online-Unterricht nach einem völlig anderen pädagogischen Konzept durchgeführt werden. Schüler sind in festen Lerngruppen organisiert und sind in der Regel täglich mehrere Stunden über ein ganzes Schuljahr oder noch länger in direktem Kontakt. Das durch Online-Unterricht erworbene Wissen kann somit in Präsenzform zusammen mit der Lehrkraft sehr zeitnah vertieft und ergänzt werden.

Eine Umstellung der gesamten Organisation des Theorieunterrichts in Fahrschulen durch den Gesetzgeber auf eine Form, wie sie beispielsweise in Ferienkursen gehandhabt wird, wäre flächendeckend organisatorisch nicht zu bewältigen. Dazu müssten Fahrschulen nacheinander 12 Lektionen mit einer festen Lerngruppe anbieten, die Teilnahme an den 12 Terminen wäre verbindlich.

Bei arbeitsbedingter oder krankheitsbedingter Verhinderung wäre der Teilnehmer dann auszuschließen, müsste nochmals neu beginnen und bezahlen, nicht wissend, ob er diesmal auch alle 12 Termine wahrnehmen kann. Oder die Fahrschulen müssten exakt überprüfen, wer welche Einheiten noch nicht absolviert hat und dafür Ersatztermine anbieten. Schon allein wegen der wissenschaftlich belegten kaum höheren Lerneffektivität wäre dieser für Fahrschulen nicht bewältigbare organisatorische Aufwand nicht gerechtfertigt. Für den Fahrerlaubnisbewerber würde sich dadurch zwangsläufig auch der Führerscheinerwerb verteuern.

– Außerdem sind die Teilnehmergruppen sehr heterogen zusammengesetzt. Online-Learning kann die vorbereiteten Lernangebote so gut wie überhaupt nicht situativ auf die einzelne Lerngruppe abstimmen.

Somit ist es praktisch unmöglich, Erfahrungen und Konzepte zum Online- Learning aus den Bereichen Schule und Universität auf den Theorieunterricht in Fahrschulen zu übertragen.
4. Chancengleichheit
– Die Versorgungslage in Deutschland mit schnellem Internet lässt mehr als zu wünschen übrig. Es gibt eben leider immer noch Gegenden, in denen die Übertragungsrate unzureichend ist, um Online-Learning überhaupt oder stressfrei zu absolvieren.

– Auch die Ausstattung mit Endgeräten (Handy, PC, Tablet) ist bei den Fahrerlaubnisbewerbern völlig unterschiedlich. Selbst für diejenigen, die zumindest ein Smartphone besitzen, ist es ausgesprochen mühsam, sich über einen längeren Zeitraum auf die dargebotenen Lerninhalte zu konzentrieren.

5. Weitere Probleme
beim Online-Learning
Wie bereits mehrfach erwähnt, existieren unzählige wissenschaftliche Untersuchungen zu der Frage, ob Online-Learning dem Lernen in Präsenzveranstaltungen unter- oder überlegen ist.

– So zeigen empirische Studien, dass sich beim Online-Learning das Unterrichtstempo erhöht. Weil die Folien bereits vorgefertigt sind, wird in kürzerer Zeit mehr Information vermittelt. Dadurch kann es schnell zur Überforderung von Fahrerlaubnisbewerbern kommen, sodass durchaus mit einer höheren Nichtbestehensquote gerechnet werden muss.

– Der Nationale Bildungsbericht 2020 weist im Zusammenhang mit Online- Learning darauf hin, dass digitale Medien größtenteils lehrerzentriert eingesetzt werden und so Frontalunterricht auf breiter Front praktiziert wird.

– Prof. Dr. Klaus Zierer, Übersetzter der Hattie- Studie „Visible Learning“, Leiter des Lehrstuhls für Schulpädagogik an der Universität Augsburg, betont, dass es beim Lernen in erster Linie auf die Lehrer-Schüler-Beziehung und den Austausch zwischen ihnen ankommt. Dies lässt sich durch Online-Unterricht allenfalls ansatzweise mittels einer interaktiven Form erreichen, das heißt, Fahrlehrer und Fahrschüler müssen während der digitalen Darbietung miteinander in Verbindung stehen, um sich untereinander und mit der Lehrkraft austauschen zu können.

– Anerkannte Wissenschaftler, wie beispielsweise der Leiter der psychiatrischen Universitätsklinik Ulm, Prof. Dr. med. Dr. phil. Manfred Spitzer, warnen vehement vor dem Digitalisierungswahn, insbesondere auch wegen der psychischen und physischen Schäden. Spitzer weist in seiner Publikation „Die Smartphone Epidemie” darauf hin, dass digitale Medien u.a. die Entwicklung von Willensbildung und Einfühlungsvermögen (Empathie) behindern. Aber gerade die Empathiefähigkeit ist ganz entscheidend für verkehrssicheres Verhalten. Was gibt es Wichtigeres als sich in die Situation anderer Verkehrsteilnehmer einfühlen zu können?

– Spitzer weist auch darauf hin, dass digitales Lernen ohne jeden wissenschaftlichen Hintergrund angepriesen wird, ohne dass es Daten gibt, die dies in der Realität begründen und damit rechtfertigen können. Er ist überzeugt, dass sich dies negativ auf die Bildung und die Gesundheit auswirkt.

– Auf ein ganz anderes Problem verweist Prof. Dr. Christoph Meinel, Dekan der Universität Potsdam und Direktor des Hasso-Plattner-Instituts (IT-Institut!), nämlich auf den Datenschutz: Elektronisches Lernen, bei dem der individuelle Lernzuwachs überprüft und gespeichert wird, bietet enorme Datenmissbrauchsmöglichkeiten. Wer also beispielsweise Lernprogramme von Verkehrsverlagen nutzt, der kann sich nicht sicher sein, was mit seinen Daten passiert, auch oder erst recht nicht die Fahrschulen.

Fazit
Bestärkt durch die oben aufgeführten kritischen Aspekte zum Online-Unterricht setzt der Interessenverband Deutscher Fahrlehrer (IDF) auch weiterhin auf den Präsenzunterricht und ist überzeugt, dass damit sowohl die Ausbildungsqualität als auch die Bestehensquote bei Fahrerlaubnisprüfungen positiv beeinflusst wird, was letztlich entscheidend zur verantwortungsbewussten Teilnahme am Straßenverkehr beiträgt.

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