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Umgang mit sexualbezogenen Vorwürfen , Oder: Wie man es nicht machen sollte

Jeder männliche Fahrlehrer, der länger im Beruf ist kennt die Situation oder hat von Kollegen davon gehört: Eine noch nicht volljährige Fahrschülerin, meist um die 17 Jahre alt, beginnt den Fahrlehrer, aus welchen Gründen auch immer, anzuschmachten und in mehr oder weniger sexualbezogene Gespräche zu verwickeln.
Der professionelle Fahrlehrer wird die Fahrschülerin auffordern, das zu unterlassen, denn er weiß genau, dass jede andere Reaktion zu Problemen bis hin zum Berufsverbot führen kann. Doch selbst die korrekte Vorgehensweise kann zu Problemen führen, wie jüngst in einem Fall aus Bayern geschehen.

Der Fall in Kürze
Die Fahrschülerin beginnt, den Fahrlehrer in sexualbezogene Gespräche zu verwickeln. Der Fahrlehrer lässt sich nicht darauf ein und fordert sie auf, das zu unterlassen. Er bittet seinen Arbeitgeber, den Fahrschulinhaber, die Fahrschülerin einem anderen Fahrlehrer zuzuteilen, weil ihm das unangenehm ist. Bevor es dazu kommt, erstattet die Fahrschülerin Strafanzeige, weil der Fahrlehrer sie auf den Mund geküsst habe, was ihr unangenehm gewesen sei. Der Fahrlehrer bestreitet das vehement. Der Staatsanwalt glaubt nicht ihm, sondern der Fahrschülerin. Es kommt zum Strafbefehl wegen sexueller Belästigung nach § 184i des Strafgesetzbuches (StGB). Diese Vorschrift lautet:
StGB § 184i Sexuelle Belästigung
(1) Wer eine andere Person in sexuell bestimmter Weise körperlich berührt und dadurch belästigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wenn nicht die Tat in anderen Vorschriften dieses Abschnitts mit schwererer Strafe bedroht ist.

(2) In besonders schweren Fällen ist die Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn die Tat von mehreren gemeinschaftlich begangen wird.

(3) Die Tat wird nur auf Antrag verfolgt, es sei denn, dass die Strafverfolgungsbehörde wegen des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung ein Einschreiten von Amts wegen für geboten hält.

Der Arbeitgeber hat Sorge um den Ruf seiner Fahrschule und bittet den Fahrlehrer, gegen den – ungerechtfertigten – Strafbefehl keinen Einspruch einzulegen, da er sich um den Ruf der Fahrschule sorgt, falls es zu einer öffentlichen Verhandlung vor dem Strafrichter kommt. Man werde den Fahrlehrer unterstützen, um die Strafe abzubezahlen, sonst könne ja nichts passieren.

Der Fahrlehrer folgt dem Rat und der Strafbefehl wird rechtskräftig. Ist das der Fall, ist es nahezu unmöglich, zumindest jedoch äußerst schwierig, diesen wieder zu beseitigen, wenn man der nachfolgend geschilderten Rechtsfolgen gewärtig wird.

Denn keinesfalls ist es in solchen Fällen mit der Bezahlung der Geldstrafe alleine getan. Im Gegenteil: mit einem rechtskräftigen Strafbefehl wegen eines Sexualdeliktes nimmt ein regelrechtes Desaster für den Fahrlehrer seinen Lauf.

Denn die Staatsanwaltschaft wird die Erlaubnisbehörde und das Gewerbeaufsichtsamt von der Verurteilung informieren. Das hat zwei gravierende, regelrecht existenzvernichtende Folgen für den Fahrlehrer.

Widerruf der Fahrlehrerlaubnis
Der Widerruf der Fahrlehrerlaubnis ist die erste der überaus gravierenden Konsequenzen für den Fahrlehrer. Denn die Erlaubnisbehörde geht angesichts der Verurteilung davon aus, dass der Fahrlehrer nicht mehr zuverlässig ist, um seinen Verpflichtungen aus dem Fahrlehrergesetz nachzukommen. Ist die Behörde davon überzeugt, dass die Zuverlässigkeit weggefallen ist, muss sie die Fahrlehrerlaubnis gemäß § 14 Absatz 2 Satz 1 in Verbindung mit § 2 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 FahrlG widerrufen. Diese Vorschriften lauten:

FahrlG § 14 Rücknahme und Widerruf der Fahrlehrerlaubnis
[…] (2) Die Fahrlehrerlaubnis ist zu widerrufen, wenn nachträglich eine der in § 2 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2, 3 und 4 genannten Voraussetzungen weggefallen ist. […]

§ 2 Voraussetzungen der Fahrlehrerlaubnis
(1) Die Fahrlehrerlaubnis wird erteilt, wenn
[…] 4. gegen den Bewerber keine Tatsachen vorliegen, die ihn für den Fahrlehrerberuf als unzuverlässig erscheinen lassen, […]

Die Beteuerungen des Fahrlehrers, der Strafbefehl sei falsch und nur aus pragmatischen Gründen nicht angefochten worden nützen in der Regel nichts. Die Behörde wird sich auch nicht die Mühe machen, den Sachverhalt selbst zu ermitteln. Denn sie darf davon ausgehen, dass der rechtskräftige Strafbefehl mit seinen Tatsachenfeststellungen richtig ist und der Sachverhalt feststeht. Sie wird daher die Fahrlehrerlaubnis widerrufen. Bis der Fahrlehrer diese, ggf. nach Therapie und MPU, neu beantragen kann, werden mindestens ein bis zwei Jahre vergehen, wobei dann noch die Gefahr besteht, dass er die Prüfung erneut ablegen muss, wenn die Zweijahresgrenze gemäß § 15 Absatz 2 Satz 2 FahrlG überschritten wird. Doch das ist noch nicht alles.

Ausbildungsverbot
Die zweite, zumindest in zeitlicher Hinsicht noch gravierendere Folge ist, dass aufgrund der Verurteilung nach § 184i StGB ein fünfjähriges Ausbildungsverbot für Jugendliche nach § 25 des Jugendarbeitsschutzgesetzes (JArbSchG) besteht. Diese Vorschrift lautet auszugsweise:

JArbSchG § 25 Verbot der Beschäftigung durch bestimmte Personen

(1) Personen, die
1. wegen eines Verbrechens zu einer Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren,

2. wegen einer vorsätzlichen Straftat, die sie unter Verletzung der ihnen als Arbeitgeber, Ausbildender oder Ausbilder obliegenden Pflichten zum Nachteil von Kindern oder Jugendlichen begangen haben, zu einer Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten,

3. wegen einer Straftat nach den §§ 109h, 171, 174 bis 184l, 225, 232 bis 233a des Strafgesetzbuches,

4. wegen einer Straftat nach dem Betäubungsmittelgesetz oder

5. wegen einer Straftat nach dem Jugendschutzgesetz oder nach dem Gesetz über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften wenigstens zweimal rechtskräftig verurteilt worden sind, dürfen Jugendliche nicht beschäftigen sowie im Rahmen eines Rechtsverhältnisses im Sinne des § 1 nicht beaufsichtigen, nicht anweisen, nicht ausbilden und nicht mit der Beaufsichtigung, Anweisung oder Ausbildung von Jugendlichen beauftragt werden. Eine Verurteilung bleibt außer Betracht, wenn seit dem Tag ihrer Rechtskraft fünf Jahre verstrichen sind. Die Zeit, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist, wird nicht eingerechnet.
[…]

Für den betroffenen Fahrlehrer kommt Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 zum Tragen. Das bedeutet, dass er fünf Jahre lang keine jugendlichen Fahrschüler ausbilden darf, selbst wenn er seine Fahrlehrerlaubnis behalten oder wiedererlangen sollte. Das ist in einer Fahrschule, die nur BE ausbildet und für den Fahrlehrer, der nur die Fahrlehrerlaubnis BE hat, nahezu ein faktisches Berufsverbot, insbesondere angesichts der üblicherweise altersmäßigen Zusammensetzung der Führerschein-Bewerber und -Bewerberinnen.

Eine Beschränkung auf ein bestimmtes Geschlecht ist im JArbSchG nicht geregelt. Ausnahmen sind in diesem Gesetz nicht vorgesehen.
Was kann man daraus lernen?
Falls man als Fahrlehrer jemals mit derartigen sexualbezogenen unwahren Vorwürfen einer möglicherweise hormonell verwirrten oder gar an einer bipolaren Persönlichkeitsstörung leidenden Fahrschülerin ungerechtfertigt konfrontiert wird und daraus ein Strafbefehl resultiert, dann ist es der maximal größte Fehler überhaupt, den Strafbefehl aus pragmatischen Gründen zu akzeptieren, vorausgesetzt die Vorwürfe sind unwahr. Denn nur wenn ein Einspruch gegen den Strafbefehl eingelegt wird, wird überhaupt eine gerichtliche Beweisaufnahme stattfinden und Gericht den Sachverhalt von Amts wegen erforschen. Im Strafbefehlsverfahren ist das nicht der Fall. In diesem überprüft der Richter nur, ob der Sachverhalt, der von der Staatsanwaltschaft behauptet wird, die Rechtsfolge (Verurteilung) trägt. Eine Plausibilitätskontrolle findet grundsätzlich nicht statt.

Deswegen ist es von größter Wichtigkeit, Einspruch gegen den Strafbefehl einzulegen und sich von einem erfahrenen Strafverteidiger in der Hauptverhandlung verteidigen und vertreten zu lassen, wenn die Vorwürfe unwahr sind. Im Strafbefehlsverfahren könnte man als Angeklagter der Verhandlung sogar fernbleiben, wenn man von einem Verteidiger vertreten wird. Alles andere führt zum Verlust der Fahrlehrerlaubnis und Ausbildungsverbot, mithin: zur Existenzvernichtung.

Dietrich Jaser
Rechtsanwalt
Spezialist für Fahrlehrerrecht
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Strafverteidiger
www.domusjuris.de

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