Magere Antworten aus dem BMDV
Medien beklagen ständig die hohen Nichtbestehensquoten bei Führerscheinprüfungen. Als Ursache wird dabei zu Unrecht immer wieder auf die schlechte Ausbildungsqualität von Fahrschulen verwiesen, und auch seitens der Politik auf eine Optimierung der Fahrschülerausbildungsordnung gepocht.
Fakt ist jedoch, dass selbst der TÜV-Verband in einem Artikel der Deutschen Handwerkszeitung (DHZ) vom 10. Mai dieses Jahres dem deutschen Fahrerlaubniswesen ein hohes Niveau bescheinigt. Er untermauert seine Einschätzung mit der stark rückläufigen Zahl der im Straßenverkehr getöteten 18 bis 24-jährigen und liegt damit auf einer Linie mit dem Interessenverband Deutscher Fahrlehrer (IDF), der in der Vergangenheit im Zusammenhang mit der gültigen Fahrschülerausbildungsordnung immer wieder auf diese erfreuliche Entwicklung hingewiesen hat. Demnach ist die Zahl der Verkehrstoten im Alter zwischen 18 und 24 Jahren zwischen 1991 und 2022 von 2.749 auf 300 gesunken, was einem Rückgang von über 80 Prozent entspricht.
Uns völlig unverständlich ist daher der Hinweis des TÜV-Verbands, dass die hohe Nichtbestehensquote auf eine unzureichende Qualität der Fahrausbildung zurückzuführen sei. Diese Behauptung ist für den Interessenverband Deutscher Fahrlehrer in keiner Weise nachvollziehbar, geschweige denn durch fundierte Fakten belegbar.
Wir sehen für diese missliche Entwicklung vielmehr ein ganzes Bündel von anderen Ursachen verantwortlich:
- Die Nichtbestehensquote ist exakt seit Aufnahme von Videosequenzen in die Theorieprüfung sprunghaft angestiegen.
- Etliche Theoriefragen sind irreführend bzw. sogar fehlerhaft.
- Dem Fahrerlaubnisbewerber wird die Mitteilung der amtlichen Prüfnummer(n) seiner fehlerhaft beantworteten Frage(n) verweigert.
- Die Zahl der Fahrerlaubnisbewerber mit nichtdeutscher Muttersprache und deren teilweise sehr mangelhaften Sprachkenntnisse nimmt deutlich zu.
- Auch die völlig unnötige Verlängerung der Prüfungsdauer bei der fahrpraktischen Prüfung wirkt sich negativ auf die Bestehensquote aus.
Mit diesen Problemfeldern konfrontierte der Interessenverband Deutscher Fahrlehrer schon mehrmals dafür Verantwortliche aus dem BMDV und der arge tp 21. Jüngst im Frühjahr fragten wir diesbezüglich den Bundesverkehrsminister an. Hier der originale Wortlaut:
Nichtbestehensquote,
bezahlbarer Führerschein
Sehr geehrter Herr Bundesminister,
am 10. Mai 2023 wurde Ihnen vom Interessenverband Deutscher Fahrlehrer (IDF) ein Schreiben zum Dilemma der Nichtbestehensquote bei Führerscheinprüfungen zugestellt. Leider hat sich bis dato nichts an der prekären Situation geändert.
Nachdem der Interessenverband Deutscher Fahrlehrer neben der Kosteneinsparung beim Fahrerlaubniserwerb mit dieser Thematik seitens der Presse immer wieder konfrontiert wurde und aktuell auch wird, bitten wir Sie, uns nachfolgende Fragen zu beantworten und uns ggf. auch geplante Maßnahmen mitzuteilen:
1. Aus welchem Grund wird den Fahrerlaubnisbewerbern nach nichtbestandener Theorieprüfung die Auskunft über die sogenannte amtliche Prüfnummer der jeweils falsch beantworteten Prüfungsfrage verweigert?
Bislang erhält der Fahrlehrer keine konkreten Hinweise auf bestehende Defizite. Er kann somit weder gezielt die Chancen auf ein Bestehen der Folgeprüfung erhöhen, noch einen wesentlichen Beitrag zur Verkehrssicherheit des Fahrerlaubnisbewerbers leisten.
2. Warum wird der Theoriefragenpool kontinuierlich erweitert und jährlich turnusgemäß zweimal geändert? Schon allein aus Gründen des allseits angestrebten Bürokratieabbaus sollte eine Modifizierung ausschließlich infolge von Änderungen des Straßenverkehrsrechts erfolgen, bzw. aufgrund eventueller Unzulänglichkeiten einzelner Fragestellungen.
3. Weshalb können die vom Interessenverband Deutscher Fahrlehrer mehrfach kritisch hinterfragten Videosequenzen bei den Theoriefragen vom Fahrerlaubnisbewerber während der Prüfung bis zu fünfmal nacheinander aufgerufen werden, und zwar nur dann, bis er die Fragestellung zusammen mit den vorgegebenen Antwortmöglichkeiten abruft? Denn sobald sich der Kandidat für die Präsentation der Fragestellung entschieden hat, ist ihm der Zugriff auf die computeranimierte Sequenz verwehrt, und zwar unabhängig von der zuvor erfolgten Anzahl der aufgerufenen Wiederholungen
Die wahrnehmungspsychologische Theorie der „Change Blindness“ geht jedoch davon aus, dass jemand, der zunächst einmal nicht weiß, wonach er suchen soll, kaum Chancen hat, seine Aufmerksamkeit auf das „Gewünschte“ zu fokussieren. Seine Erinnerung liefert ihm stattdessen lediglich ein sehr individuell gefärbtes Abbild der zuvor gezeigten Szene. Für den Interessenverband Deutscher Fahrlehrer stellt sich die Frage, ob es legitim und beabsichtigt ist, dem Fahrerlaubnisbewerber bei der Theorieprüfung dadurch zwangsläufig eine überdurchschnittliche Wahrnehmungsgeschwindigkeit, Informationsverarbeitungsgeschwindigkeit und Kombinationsfähigkeit abzuverlangen, sofern die passenden Antworten von ihm nicht zufällig richtig ausgewählt oder auswendig gelernt worden sind.
4. Aus welchen Gründen ist die stetige Forderung des Interessenverband Deutscher Fahrlehrer noch immer nicht umgesetzt, wonach der kontinuierlich aktualisierte Fragenkatalog für die theoretische Fahrerlaubnisprüfung vom BMDV oder auf einer alternativen Plattform im Internet veröffentlicht wird, so dass alle Interessierten einen kostenlosen Zugriff darauf haben? Die Entwicklung der Fragen wird schließlich vom Fahrerlaubnisbewerber pro abgelegter Theorieprüfung mit einem Euro finanziert (siehe Drucksache 815/07). Somit würde sich unser Vorschlag umgehend kostenneutral realisieren lassen.
Allein durch unsere zuletzt genannte Forderung könnte der Fahrerlaubnisbewerber etwa 100 Euro beim Erwerb der Fahrerlaubnis einsparen, da dieser Fragenkatalog bisher käuflich erworben werden muss. Der Interessenverband Deutscher Fahrlehrer (IDF) sieht generell durch entsprechende Änderungen in allen oben genannten Bereichen ein deutliches Einsparungspotenzial für den Erwerb des Führerscheins.
Wir bitten um möglichst zeitnahe Beantwortung unserer Anfrage und verbleiben mit freundlichen Grüßen.
Aufgrund der mehr als mageren Antworten einer beauftragten Mitarbeiterin des Bundesverkehrsministeriums, die nicht einmal auf jede unserer aufgeworfenen Fragen eingegangen ist, sahen wir uns veranlasst, unsere Fragen erneut klar und deutlich zu formulieren. Zudem stellten wir dem Bundesverkehrsminister Volker Wissing und seinem Staatssekretär Oliver Luksic diese erneute Anfrage persönlich zu, die wir unseren Mitgliedern im Folgeartikel zur Kenntnis geben.
Präzisierung der Fragen
an das BMDV
Sehr geehrte Frau …,
besten Dank für die im Auftrag von Herrn Dr. Wissing beantworteten Fragen. Als bundesweit tätiger Fahrlehrerverband, der sich seit vielen Jahren für die Belange von Fahrlehrkräften engagiert, müssen wir leider feststellen, dass die von Ihnen mitgeteilten Antworten unserer Einschätzung nach eine geringe Expertise aufweisen. Daher sehen wir die Notwendigkeit, Ihnen im Folgenden einige Kommentare und Bitten um konkrete Aussagen zu übermitteln.
zu 1
Die Möglichkeit des Fahrerlaubnisbewerbers unmittelbar nach der Prüfung Einblick in die konkrete Aufgabenbearbeitung und damit ggf. auch in falsch beantwortete Prüfungsfragen zu nehmen, ist dem Interessenverband Deutscher Fahrlehrer (IDF) hinreichend bekannt. Eine Besprechung von falsch beantworteten Prüfungsfragen ist jedoch weder in den Prüfungsrichtlinien noch in der Dienstanweisung des Fahrerlaubnisprüfers verankert und wäre außerdem schon aus rein zeitlichen Gründen laut Fahrerlaubnisprüfer unmöglich, da unmittelbar nach Ende einer theoretischen Fahrerlaubnisprüfung bereits der Termin für die nächste Prüfung eingeplant ist. Hinzu kommt noch, dass nicht jeder Fahrerlaubnisprüfer die erforderliche Qualifikation für alle Fahrerlaubnisklassen (z.B. Fahrerlaubnisklasse D) besitzt.
Was die individuelle schriftliche Dokumentation der Prüfungsleistung anbelangt, so wird dem Fahrerlaubnisbewerber lediglich der Bereich schriftlich mitgeteilt, aus dem er die eine oder andere Frage falsch beantwortet hat, nicht jedoch die von uns geforderte sogenannte amtliche Prüfnummer. Wir bitten um Begründung.
Ferner bitten wir Sie um eine Konkretisierung Ihrer Feststellung, dass durch diese schriftliche Dokumentation dem Fahrlehrer konkrete Hinweise für seine zukünftige Arbeit mit dem Fahrerlaubnisbewerber gegeben werden. Bloße Verweise auf die entsprechenden Fachgebiete lassen dafür unserer Meinung und Erfahrung nach keinerlei konkrete Rückschlüsse auf die jeweilige fehlerhaft beantwortete Prüfungsfrage zu.
zu 2
Ihr Hinweis, dass die Erarbeitung, Überarbeitung und Pflege des Fragenkatalogs unter Federführung der technischen Prüfstellen, konkret der uns bekannten arge tp 21 erfolgt, ist dem Interessenverband Deutscher Fahrlehrer ebenfalls hinreichend bekannt. Wir sind ganz bewusst nicht in der zuständigen Arbeitsgruppe vertreten, weil nach unserer Recherche auch weiterhin etliche Fragen irreführend und/oder unsauber formuliert sind und teilweise falsche Antworten abverlangen. Dazu nahm der Interessenverband Deutscher Fahrlehrer im Schreiben an den Herrn Bundesverkehrsminister vom 10. Mai 2023 unter Punkt 2 ausführlich Stellung. Der Interessenverband Deutscher Fahrlehrer möchte bei seinen Mitgliedern nicht den Eindruck erwecken, er würde all diese Defizite mittragen.
Eine Modifizierung des jeweils aktuellen Fragenkatalogs infolge rechtlicher Änderungen wird von uns selbstverständlich uneingeschränkt befürwortet.
Sämtliche sonstigen Änderungen könnten jedoch problemlos im Jahresturnus erfolgen, wodurch sowohl organisatorische als auch finanzielle Ressourcen eingespart werden.
Im Rahmen Ihrer Antwort auf diesen Fragenkomplex verweisen Sie auch auf die kontinuierliche wissenschaftliche Analyse des Aufgabenpools. Wie kann es dann sein, dass der Fragenkatalog wie oben erläutert absolut unqualifizierte Inhalte aufweist? Auch eine Umfrage des Interessenverband Deutscher Fahrlehrer unter etwa 1.600 Fahrlehrkräften ergab ein vernichtendes Urteil zur Qualität des Fragenkatalogs (siehe Grafiken).
zu 3
Was die Erfordernis einer überdurchschnittlichen Wahrnehmungs- und Informationsverarbeitungsgeschwindigkeit bei der Analyse von Videoclips anbelangt, so steht zugegebenermaßen unsere Aussage gegen Ihre Aussage, da auch Sie uns keine repräsentativen Befunde von neutralen Wissenschaftlern präsentiert haben, die Ihre Annahme stützen.
Auf den Kernpunkt unserer Frage zu den Videosequenzen sind Sie leider überhaupt nicht eingegangen. Der Interessenverband Deutscher Fahrlehrer moniert wiegesagt, dass es nicht möglich ist, den Clip nach Aufruf der Fragestellung innerhalb der Anzahl von zulässigen Wiederholungen ein weiteres Mal anzusehen. Wir bitten Sie, uns den genauen Grund für dieses Prozedere zu erläutern, zumal bei ikonischer Darbietung von Prüfungsinhalten Bild und Frage logischer Weise zusammen präsentiert werden.
Was die angebliche hohe Lösungswahrscheinlichkeit von Darbietungen mittels Videosequenzen anbelangt, so werden dem Interessenverband Deutscher Fahrlehrer trotz wiederholter Anfragen statistische Daten zur Fehlerquote einzelner Fragen seit Jahren aus uns unerklärlichen Gründen sowohl vom BMDV als auch von der arge tp21 vorenthalten, wenngleich sie ja zwangsläufig vorliegen müssen.
Auch hier bitten wir Sie, uns den Grund dafür mitzuteilen und die arge tp 21 ggf. anzuweisen, dem Interessenverband Deutscher Fahrlehrer das Datenmaterial zu übermitteln.
zu 4
Ebenso bekannt ist uns selbstverständlich die Veröffentlichung von jeweiligen Änderungen des Fragenkatalogs für die theoretische Fahrerlaubnisprüfung beispielsweise im Verkehrsblatt. Allerdings bleibt uns nach wie vor unerklärlich, dass ein jeweils aktueller Gesamtkatalog weder vom BMDV noch von der arge tp 21 öffentlich zugänglich gemacht wird. Unserem Rechtsempfinden widerstrebt es zutiefst, dass der Gesamtkatalog lediglich über Verkehrsverlage käuflich erworben werden kann, obwohl seine Entwicklung und kontinuierliche Evaluation bereits von jedem Fahrerlaubnisbewerber pro abgelegter Theorieprüfung mit einem Euro (!) finanziert wurde und wird. Wir bitten um eine Begründung, zumal unsere Nachbarn aus Österreich den dort gültigen Gesamtkatalog beispielsweise gegen eine Schutzgebühr von 6,99 Euro aus dem Internet herunterladen können.
Ferner bitten wir um detaillierte Informationen, wie die jährlich erhobenen 1,5-1,7 Millionen Euro, die im Rahmen der abgelegten Theorieprüfungen anfallen, betragsmäßig verwendet werden („wieviel für was“) und welche Institution diese Verwendung der enormen Mittel überprüft. Immerhin wurde bei Einführung 2013 vom damaligen Vorstandsmitglied des TÜV Rheinland, Herrn Prof. Dr. –Ing. Jürgen Brauckmann festgestellt: Die computeranimierten Szenen haben den Vorteil, „dass wir die Filme kostengünstig produzieren und vielfach variieren können“.
Mehr als befremdlich wirkt auf uns Ihr uns mitgeteiltes Vorhaben, die Forderung des Interessenverband Deutscher Fahrlehrer nach kostenlosem Zugang zum Gesamtfragenkatalog der Theorieprüfung mit Fahrlehrerverbänden und insbesondere mit Lehrmittelverlagen, die ja ein berechtigtes wirtschaftliches Interesse am status quo haben, zu erörtern.
In der Hoffnung, dass wir zeitnah Antworten auf unsere konkreten Fragen erhalten verbleiben wir mit freundlichen Grüßen.
Über entsprechende Reaktionen der Administration werden wir unsere Mitglieder selbstverständlich in der nächsten Fahrlehrerpost informieren.