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Von Kenntnis und Unkenntnis

Ein Fall aus der Praxis
mit rechtlicher Würdigung
von Rechtsanwalt

Dietrich Jaser
www.domusjuris.de

I. Teil 1 – der Fall

1. Ein sehr geduldiger Fahrlehrer

Es war einmal ein Fahrlehrer namens Hans Ehrlich in tiefster norddeutscher Provinz. Eines Tages beantragte Hans Ehrlich unter Vorlage aller erforderlichen Dokumente und nach Erfüllung aller gesetzlichen Voraussetzungen eine Fahrschulerlaubnis bei der für ihn zuständigen Erlaubnisbehörde. Er wollte sich damit seine eigene Existenz aufbauen.

Schon sechs Wochen später schaffte es die Behörde tatsächlich den erforderlichen Unterrichtsraum auf die für eine Fahrschule erforderlichen Einrichtungen und Maße hin zu prüfen. Alles in Ordnung soweit. Doch dann meldete sich der Sachbearbeiter der Behörde, Otto Eifrig, krank und ward nicht mehr gesehen. Und – Existenzgründung hin oder her – es fand sich in der Behörde niemand, der die Vertretung des erkrankten Otto Eifrig übernehmen wollte oder konnte. Weitere sieben Wochen, also dreizehn Wochen nach Antragsstellung (das sind genau drei Monate) später erschien Otto Eifrig wieder an seinem Arbeitsplatz und erteilte dem sich schon am Rande der Verzweiflung befindlichen Hans Ehrlich tatsächlich die begehrte Fahrschulerlaubnis – mündlich! Denn – Herr Eifrig bedauerte dies sehr – es fehlte ihm leider „die Zeit, die Fahrschulerlaubnis schriftlich auszufertigen“. (Anscheinend fehlte ihm nicht nur die Zeit dafür sondern auch die Zeit, um einen Blick ins Gesetz zu werfen. Doch dazu später mehr.)

Völlig konsterniert ob dieses Behördenverhaltens ließ sich Hans Ehrlich in seiner Verzweiflung beim TÜV einen Prüfplatz geben und stellte seinen ersten Fahrschüler vor. Das hatte zur Folge, dass der Leiter des TÜV für Hans Ehrlich eine Prüfsperre verhängte, bis er die schriftliche Fahrschulerlaubnis vorlegte. Dazu benötigte der gesundheitlich labile Herr Eifrig dann nochmals fast vier Wochen, also rund vier Monate von Antragstellung bis Erteilung.

Hans Ehrlich empfand das Vorgehen der Behörde in Gestalt des Herrn Eifrig zwar fehlerhaft, wollte aber „keinen schlechten Start“ mit seiner Aufsichtsbehörde, verursacht dadurch, dass er „vorzeitig“ rechtliche Hilfe in Anspruch nimmt. Denn davor hatte ihn der kränkelnde Otto Eifrig ausdrücklich gewarnt: „Fahrlehrer die hier gleich mit einem Anwalt kommen, mag ich schon überhaupt nicht.“

So weit so gut (oder auch nicht). Aus Sicht des Herrn Eifrig jedenfalls ein „guter Start“.

2. Das Drama geht weiter und die Geduld zu Ende

Nun geschah es, dass Hans Ehrlich mit seiner Fahrschule nach 21 Monaten neue Geschäftsräume bezog, dies der Behörde mitteilte und um zeitnahe „Abnahme der neuen Fahrschulräume“ bat. Diese teilte daraufhin mit, eine Abnahme der Räume sei „erst in 3 Wochen möglich“. Der frühere Sachbearbeiter, Otto Eifrig, sei jetzt in Rente und der neuen Sachbearbeiterin, Helga Mühsam, fehle die Sachkenntnis. Deshalb müsse man eine externe Prüferin aus Mainz hinzuziehen, die „die Räume besser begutachten kann“. Den Einwand des Herrn Ehrlich, dass man für die Überprüfung, ob die Räume der Vorschrift der Anlage 2 zu §3 der Durchführungsverordnung zum FahrlG (FahrlGDV) genüge tun, doch keine besondere Sachkenntnis benötigte und schließlich dadurch unnötige erhebliche Mehrkosten entständen, interessierte Helga Mühsam nicht, deshalb reagierte sie darauf vorsichtshalber erst einmal nicht (man will ja keine unnötigen Diskussionen provozieren). Auch der Einwand des Hans Ehrlich, es handele sich hier doch „nur um einen Umzug“, verhallte zunächst ungehört.

Kurze Zeit später hatte man auf der Behörde jedoch – mutmaßlich nach vielen Stunden angestrengten Nachdenkens – endlich die Lösung für das Problem gefunden: Freudig griff Helga Mühsam zum Telefon um Hans Ehrlich mitzuteilen, man könne für die Fahrschule des Herrn Ehrlich schon jetzt eine „Fahrschulüberprüfung“ ansetzen und alleine daraus ergebe sich schon die Erfordernis, eine externe Prüferin hinzuzuziehen. Die drei Wochen Wartezeit bis dahin müsse er eben in Kauf nehmen.

Der Einwand des Herrn Ehrlich, er könne solange keinen Theorieunterricht anbieten, weil die Räume nicht abgenommen seien und er habe doch 14 Fahrschüler die dringend Theorieunterricht benötigten und darauf warteten, blieb zunächst unbeantwortet.

Einige Tage später besann man sich behördenseits anscheinend eines Besseren und forderte Hans Ehrlich (erstmals) schriftlich auf, er solle einer Überwachung fünf Tage später „zustimmen, ansonsten müsse er bis zum nächsten Termin eben rund sechs Monate“ warten. Beide, sowohl die (nach eigenem Bekunden nicht sachkundige) Sachbearbeiterin der Erlaubnisbehörde, als auch der Fahrschulinhaber waren der Meinung, dass bis zur „Abnahme“ der neuen Fahrschulräume kein theoretischer Unterricht durchgeführt werden dürfe.

Nun wurde es Hans Ehrlich zu bunt und er wandte sich an einen im Fahrlehrerrecht erfahrenen Rechtsanwalt. Was dieser ihm erklärte folgt im zweiten Teil.

II. Teil 2 – die rechtliche Situation

1. Erteilung der Fahrschulerlaubnis

Von der Antragstellung bis zur Erteilung der mündlichen Fahrschulerlaubnis vergingen exakt drei Monate. Drei Monate sind auch der Zeitraum, der verstreichen muss, um eine sogenannte Untätigkeitsklage gemäß §75 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) gegen die Behörde einreichen zu können. Das hat der Sachbearbeiter Otto Eifrig elegant umschifft.

Nun stellt sich aber noch die Frage: Mündliche Erteilung einer Fahrschulerlaubnis – geht das überhaupt? Die Antwort hierauf ist ein klares Nein!

Denn § 26 Absatz 1 des Fahrlehrergesetzes (FahrlG) in der seit 01.01.2018 geltenden Fassung schreibt vor: „Die Erteilung der Fahrschulerlaubnis bedarf der Schriftform.“ Auch nach der (Vorgänger-) Vorschrift des bis zum 31.12.2017 geltenden § 13 Absatz 1 Satz 1 FahrlG war nur die schriftliche Erteilung möglich: „Die Fahrschulerlaubnis wird durch Aushändigung oder Zustellung der Erlaubnisurkunde erteilt.“ Das bedeutet unter dem Strich nichts anderes, als dass der Fahrlehrer Hans Ehrlich in den ersten Wochen bis zur Aushändigung oder Zustellung der (logischerweise schriftlichen) Erlaubnisurkunde ohne Fahrschulerlaubnis ausgebildet hat. Das Verhalten des TÜV war daher rechtlich in keiner Weise zu beanstanden.

Das Verhalten des Sachbearbeiters der Behörde war demgegenüber mehr als fragwürdig und könnte sogar als Anstiftung zu einer Ordnungswidrigkeit gewertet werden. Dessen Aussage: „Fahrlehrer die hier gleich mit einem Anwalt kommen, mag ich schon überhaupt nicht“ ist ein bloßer Einschüchterungsversuch (der allerdings immer wieder fruchtet), der wohl in einer Furcht vor eben dieser Berufsgruppe begründet ist. In der Praxis ist jedoch genau das Gegenteil der Fall: Sobald der (im Fahrlehrerrecht kundige) Anwalt auf den Plan kommt, hören die Machtspielchen auf und die Sache geht vorwärts.

2. Der Umzug

Dass der Fahrlehrer den Umzug seiner Fahrschule gemeldet hat, war absolut richtig, er handelte gesetzeskonform. Nur heißt das im FahrlG nicht „Umzug“ sondern „Verlegung“. Und diese ist gemäß § 30 Satz 1 Nr. 1 FahrlG 2017 (bzw. § 17 Nr. 1 FahrlG in der bis 31.12.2017 geltenden Fassung) der Erlaubnisbehörde „unverzüglich schriftlich oder elektronisch anzuzeigen“ (neue Fassung) bzw. „unverzüglich anzuzeigen“ (alte Fassung). Das ist hier geschehen.
Was hier allerdings, erstaunlicherweise von beiden Seiten, nicht richtig gesehen wurde, war die Rechtsfolge aus dieser Anzeige. Beide, Fahrschulinhaber wie Sachbearbeiter der Erlaubnisbehörde waren der Auffassung, dass in den neuen Fahrschulräumlichkeiten kein Theorie-Unterricht bis zur „Abnahme“ der Fahrschulräume erfolgen dürfe. Diese Auffassung findet jedoch keine Stütze im FahrlG. Dies würde nämlich bedeuten, dass die Fahrschulerlaubnis bis dahin ruhen würde, da die theoretische und praktische Erlaubnis nicht voneinander zu trennen sind. Außerdem sollen der theoretische und praktische Teil der Ausbildung „in der Konzeption aufeinander bezogen und im Verlauf der Ausbildung miteinander verknüpft werden“ (§2 Abs. 1 Satz 2 der Fahrschülerausbildungsverordnung, FahrschAusbO).

Die Verlegung der Fahrschule ist aber kein Ruhenstatbestand des FahrlG. Die Ruhenstatbestände finden sich in §33 Abs. 1 FahrlG. Die Verlegung einer Fahrschule findet sich nicht darunter. Das bedeutet für die Praxis nichts anderes als dass die Verlegung der Fahrschule den Ausbildungsbetrieb nicht tangiert. Die Ausbildung kann ohne Unterbrechung weitergehen, ob die Behörde den neuen Unterrichtsraum „abnimmt“ oder nicht. Voraussetzung ist aber, dass die Unterrichtsmaterialien auch in den neuen Räumen zur Verfügung stehen.

Meines Erachtens hätte die Erlaubnisbehörde Herrn Ehrlich darauf hinweisen müssen, dass er den Ausbildungsbetrieb ungehindert fortsetzen kann und es keine Rolle spielt, ob der Unterrichtsraum nun abgenommen ist oder nicht. Aber wenn dem Sachbearbeiter die Sachkunde fehlt, wird das schwierig. Vielleicht kommt daher die Furcht vor den Anwälten.

Was die Anberaumung einer Fahrschulüberwachung betrifft, dürfte die Erlaubnisbehörde im Recht sein. Nach § 51 Abs. 3 FahrlG soll die zuständige Behörde mindestens alle zwei Jahre eine Überwachung durchführen. „Soll“ bedeutet, dass die Behörde so verfahren muss, wenn nicht ausnahmsweise besondere Gründe eine Abweichung davon rechtfertigen. Das Wort „mindestens“ bedeutet, dass die Überwachung auch öfter durchgeführt werden kann. Allerdings muss die Behörde wegen der damit verbundenen Kostenbelastung darauf achten, dass Überwachungsmaßnahmen nicht unangemessen oft durchgeführt werden. Ein Abweichen von der Zwei-Jahres-Regel ist möglich, wenn in zwei aufeinanderfolgenden Überwachungen keine oder nur geringfügige Mängel festgestellt worden sind, § 51 Abs. 5 FahrlG.

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