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Online- Fahrschule, was bringt sie?

Mit der Berichterstattung zur geplanten Online-Fahrschule in Berlin steht die Frage nach möglichen Konsequenzen einer Digitalisierung im Fahrschulwesen und damit insbesondere auch die Bedeutung von Präsenzunterricht wieder verstärkt im Mittelpunkt.

Aus der Sicht des Interessensverbands Deutscher Fahrlehrer stellt der Präsenzunterricht, den Theorieteil betreffend, ein unverzichtbares Ausbildungselement zum Erwerb der Fahrerlaubnis dar.

Er dient zunächst einmal zur Vertrauensbildung zwischen Fahrlehrer und Fahrschüler, die ihrerseits wiederum Basis für eine effiziente praktische Ausbildung ist.

Außerdem befürchten wir auch nachteilige Auswirkungen auf die fahrpraktische Prüfung.

Regionaler Theorieunterricht nimmt kontinuierlichen Bezug auf regionale Gefahrenpunkte und ist in der Lage, dazu auch auf gezielte Fragen der Fahrerlaubnisbewerber klärend einzugehen. Darauf kann der Betroffene im Rahmen seiner fahrpraktischen Prüfung dann auch zurückgreifen.

Als übergeordnetes Ziel aller Ausbildungsinhalte zum Erwerb der Fahrerlaubnis steht die Verkehrssicherheit im Mittelpunkt.

Soziales Verhalten, und damit auch soziales Verkehrsverhalten, entwickelt sich jedoch in erster Linie durch Face-to-Face-Interaktion und nicht durch Lernen über den PC oder das Smartphone.

Dem Lehrenden kommt hierbei eine zentrale Bedeutung zu, den digitalen Medien lediglich eine untergeordnete Unterstützungsfunktion (siehe u.a. Publikationen von Prof. Dr. Manfred Spitzer und Prof. Dr. Klaus Zierer).

Außerdem steht unserer Meinung nach eine online- Absolvierung des Theorieunterrichts im klaren Widerspruch zum gerade erst überarbeiteten Fahrlehrergesetz.

Dort wird ein verstärktes Augenmerk auf die pädagogische Dimension der Ausbildung gelegt, was sich ja klar in der geforderten pädagogischen Überwachung der Fahrschulen widerspiegelt.

Auch die derzeit gültige Fahrlehrerausbildungsverordnung betont die Bedeutung der Vermittlung pädagogischer Inhalte.

Daher steht der Interessenverband Deutscher Fahrlehrer (IDF) klar zum Präsenzunterricht.

Unterstützung gegen die zunehmende Digitalisierung des Lernens erhalten wir von renommierten Wissenschaftlern.
So warnt der wohl populärste Gegner, Prof. Dr. Dr. Spitzer, Leiter der psychiatrischen Universitätsklinik Ulm, seit Jahren vor dem Digitalisierungswahn. Hier zwei Zitate aus seinem neuesten Buch „Die Smartphone Epidemie“ (2018, dritte Auflage):

„Über die gesundheitlichen Folgen machen sich mittlerweile sogar Investoren und Unternehmer Gedanken. Der Chef von Apple empfiehlt, Smartphones nicht in Schulen zu verwenden, der französische Präsident verbietet sie dort ganz und Süd-Korea hat seit Jahren Gesetze zum Schutz der Jugend vor den schlimmsten Folgen der Handynutzung.“ (a.a.O, Klappentext)
Weiter bemerkt Spitzer: „Halten wir fest: Digitale Medien und insbesondere das Smartphone schaden der Gesundheit und der Bildung junger Menschen und behindern die Entwicklung von Willensbildung und Empathiefähigkeit.“ (a.a.O, 131)
Aber gerade die Empathiefähigkeit ist letztendlich unabdingbar für verkehrssicheres Verhalten. Was gibt es Wichtigeres als sich in die Situation anderer Verkehrsteilnehmer einfühlen zu können?
Und schließlich schreibt Spitzer als vehementer Kritiker des Heilsbringers Digitalisierung: „Da wird das digitale Lernen von Marktschreiern ohne jeden wissenschaftlichen Hintergrund – d.h. ohne dass es Daten gäbe, die das Vorgehen empirisch begründen und damit rechtfertigen könnten – propagiert, obwohl dadurch die Bildung und die Gesundheit von Kindern ruiniert wird.“ (a.a.O., 147)

Bedenklich ist auch die Tatsache, dass die Intelligenz von Menschen seit der Jahrtausendwende nicht mehr zunimmt, sondern rückläufig ist, wenn sie in Ländern wohnen, in denen die Digitalisierung massiv vorangetrieben wird. Dieser sog. Anti-Flynn- Effekt wurde in einer Metastudie aus 2017 bestätigt.

Wissenschaftler nehmen an, dass dafür die Qualität der Schulen und der Medienkonsum als mögliche Ursachen verantwortlich sind.

Australien hat bereits frühzeitig darauf reagiert. Dort werden die 2008 den Schulen für insgesamt 2,4 Milliarden australische Dollar zur Verfügung gestellten Laptops seit 2016 wieder eingesammelt.
Bereits der Status quo des Anteils der Digitalisierung der Fahrschülerausbildung, Fahrlehrerausbildung, Fortbildung usw. stellt aus Sicht des Interessenverband Deutscher Fahrlehrer (IDF) eine besorgniserregende Entwicklung dar, deren Folgen sich z.B. bereits in der steigenden Nichtbestehensquote niederschlagen.

Auffällig ist, dass der Anstieg der Nichtbestehensquote exakt mit der Aufnahme von Videosequenzen in die theoretische Prüfung zum 1. 4. 2014 beginnt. Dieser Zusammenhang ist in allen 16 Bundesländern deutlich erkennbar (siehe Grafik)

Auffallend ist auch, dass in der Vergangenheit die Nichtbestehensquote linear mit der zunehmenden Anzahl von Videosequenzen anstieg: Je mehr dieser Videos in die Prüfung integriert wurden, desto höher war die Nichtbestehensquote, und zwar wiederum in allen Bundesländern. Videoclips bilden nach unserer Meinung reales Verkehrsgeschehen nur unzureichend ab. Sie bieten sehr kurze Ausschnitte des Verkehrsgeschehens, die häufig viel zu spontan interpretiert werden müssen, um eine „passende“ Strategie aus dem Langzeitgedächtnis abrufen zu können. Auch infolge mangelnder Kontextinformationen können adäquate Entscheidungen auf der Basis von nur wenigen Fakten getroffen werden.

Eine durchgehende Digitalisierung der theoretischen Fahrschulausbildung würde diese negativen Effekte noch massiv verstärken.

Daher setzt der Interessenverband Deutscher Fahrlehrer (IDF) auch weiterhin auf eher traditionelle Lernformen und Lernmedien und ist überzeugt, dass damit sowohl die Ausbildungsqualität als auch die Erfolgsquote maßgeblich gefördert wird.

Eine Digitalisierung der praktischen Fahrschülerausbildung lehnen wir kategorisch ab.

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