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Fahrerassistenzsysteme: Ein „zweischneidiges Schwert“ für die Verkehrssicherheit

Elektronische Zusatzeinrichtungen in Kraftfahrzeugen zur Unterstützung des Fahrers in bestimmten Fahrsituationen oder kurz „Fahrerassistenzsysteme“ sollen nicht nur den Fahrkomfort steigern, sondern auch einen wesentlichen Beitrag zur Steigerung der Verkehrssicherheit leisten. Darin lauern aber auch ungeahnte Gefahren, insbesondere, weil diese Systeme zunehmend über Touch- Bildschirme bedient werden.

Hier können Bedienungselemente wie Tasten oder Knöpfe nicht blind ertastet werden. Der Fahrer muss bei ihrer Nutzung seine Aufmerksamkeit von der Straße abwenden, um entsprechende Funktionen an- oder abzuschalten.

Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang ein Gerichtsurteil des Oberlandesgerichts (OLG) Karlsruhe, über das wir in der Fahrlehrerpost 1/2021 bereits ausführlich berichtet haben. Der Fahrer eines Tesla, der währen der Fahrt sein Touchscreen bedient hatte, um das Scheibenwischerintervall zu erhöhen, verunglückte und wurde wegen verbotener Nutzung eines elektronischen Geräts zu 200 Euro Geldbuße und einem Monat Fahrverbot verurteilt. In der Begründung wies das Gericht darauf hin, dass der Führer eines Fahrzeugs laut StVO § 23 einen Bildschirm ausschließlich unter der Voraussetzung bedienen dürfe, „dass zur Bedienung und Nutzung des Gerätes nur eine kurze, den Straßen-, Verkehrs-, Sicht- und Wetterverhältnissen angepasste Blickzuwendung zum Gerät bei gleichzeitig entsprechender Blickabwendung vom Verkehrsgeschehen erfolgt oder erforderlich ist.“

Das Ablenkungspotenzial durch die Bedienung des Touchscreens oder durch mangelnde Erfahrung mit Tasten und Knöpfen ist enorm, ebenso das daraus resultierende Unfallrisiko. Bereits bei einer Blickabwendung vom Verkehrsgeschehen von nur zwei Sekunden werden mit Tempo 100 km/h bereits mehr als 50 Meter zurückgelegt. Daher kann es nicht nur Ärger mit Gerichten geben, sondern auch mit Kaskoversicherungen, die das Bedienen des Touch-Bildschirms während der Fahrt als grobe Fahrlässigkeit werten kann. In der Vergangenheit kam es bereits zu vielen Unfällen, die auf die Bedienung von Fahrerassistenzsystemen zurückgeführt werden können. So verriss ein 64-Jähriger aus Oberösterreich laut eines Berichts der Kronenzeitung vom 5.Juni 2021 beim Einschalten seines Tempomats das Lenkrad und raste mit Tempo 100 ungebremst in eine Moped-Gruppe, die zusammen mit einem Servicewagen am Straßenrand wegen eines Defekts stand. Zwei der Mopedfahrer wurden dabei getötet, die anderen verletzt.

Gerade die von den Autobauern immer beliebteren Steuerungen durch Touch- Bildschirme, wie sie etwa im neuen Golf 8 vorgegeben ist, erfordern häufige Blickabwendungen vom aktuellen Verkehrsgeschehen und stellt so ein erhebliches Sicherheitsrisiko dar, sofern man keinen Beifahrer hat, der einen bei der Suche nach diversen Funktionen unterstützt.

In einem Artikel von BR Wissen ist zu lesen, dass der tatsächliche Nutzen von Assistenzsystemen in Frage gestellt werden muss, da er ein erhöhtes Stresslevel bedingen kann. Wissenschaftler der Hochschule Kempten führten dazu eine Studie durch, an der insgesamt 50 Teilnehmer mitgemacht haben, 36 Männer und 14 Frauen im Alter von 18 bis 65 Jahren. Ihre Aufgabe bestand darin, den Spurhalteassistent im realen Straßenverkehr zu testen. Die Studienteilnehmer waren mit bis zu 160 Kilometer pro Stunde auf Bundesstraßen und Autobahnen unterwegs, jeweils mit und ohne Assistenzsystem. Die Überprüfung ihres Stresslevels während der Fahrt ergab, dass die Teilnehmer deutlich gestresster waren, wenn der Spurhalteassistent eingeschaltet war. Das ließ sich leicht an feuchten Händen, Herzrasen und einem gesteigerten Puls feststellen.
Für dieses ernüchternde Ergebnis vermuten die Wissenschaftler vor allem zwei Gründe: Es könnte zum einen daran liegen, dass es den Fahrern schwerfällt, die Verantwortung fürs Fahren an einen Computer abzugeben. Zum anderen ist die Technik noch nicht so ausgereift, dass sie nicht auch mal ausfallen kann. Damit fehlt den Fahrern das Sicherheitsgefühl. Das heißt für den Autofahrer, er muss in ständiger Bereitschaft sein, das Fahrgeschehen durch entsprechende Reaktionen wieder voll im Griff zu haben.
Grund genug, die automatische Zuschaltung von Fahrerassistenten als ein durchaus bedeutendes Gefahrenpotenzial einzustufen. Umso unverständlicher, dass einige Assistenzsysteme entweder überhaupt nicht oder bei bestimmten Modellen nur sehr aufwändig inaktiviert werden können. So mancher kämpfte schon in einem Baustellenbereich mit seinem Spurhalteassistenten, der sich einfach nicht abschalten ließ, und das bei erhöhtem Unfallrisiko durch Fahrbahnverengungen oder durch besondere Fahrspurführungen. Oder er wurde abrupt vom Notbremsassistenten bzw. Abstandsregler heruntergebremst, weil er etwa fahrbahnbedingt etwas nahe an einem Linksabbieger vorbeifahren musste, oder weil auf der Autobahn ein überholendes Fahrzeug knapp vor ihm wieder einscherte.

Der Nutzung von Fahrerassistenzsystemen im Straßenverkehr sollte daher unbedingt ein intensives Studium der Bedienungsanleitung und ein gewisses Maß an „Trockenübungen“ vorangehen, immer gepaart mit dem Bewusstsein, letztendlich die volle Verantwortung für das Fahrgeschehen zu tragen. Und solange sich die Hersteller nicht auf gemeinsame Symbole und Bedienungsformen von wesentlichen Assistenten einigen können, sollte auch zukünftig unbedingt darauf verzichtet werden, dass der Fahrerlaubnisprüfer die Bedienung von Fahrassistenzsystemen wie beispielsweise der Längs- oder Querstabilisierung während der Prüfungsfahrt anordnen darf.

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