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Neue Entwicklungen im Arbeitszeitrecht

Von Rechtsanwalt Dietrich Jaser

Nach Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) und des Bundesarbeitsgerichtes (BAG) zur Arbeitszeiterfassung hat jüngst das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) einen Gesetzentwurf (Referentenentwurf – RefE) zur Arbeitszeiterfassung vorgelegt. Damit soll die Verpflichtung dazu gesetzlich geregelt werden.

Der EuGH hatte im Jahr 2019 entschieden, dass sich eine Pflicht zur Einrichtung eines Systems zur Aufzeichnung der Arbeitszeit aus der Arbeitszeitrichtlinie und der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRCh), sowie aus der Arbeitsschutz-Rahmenrichtlinie ergäbe (EuGH, 14.05.2019 – C-55/18). Ob aufgrund dieses Urteils auch in Deutschland eine Aufzeichnungspflicht für Arbeitgeber besteht, ist umstritten.

BAG stellt Pflicht zur
Arbeitszeiterfassung fest
Im Jahr 2022 stellte das BAG eine Pflicht zur generellen Aufzeichnung der Arbeitszeit fest (BAG, 13.09.2022 – 1 ABR 22/21). Mangels einer passenden gesetzlichen Regelung leitete es diese Pflicht aus § 3 Abs. 2 Nr. 1 des Arbeitsschutzgesetzes (ArbSchG) her. Das stieß zu Recht auf Kritik, weil die speziellere Regelung in § 16 Abs. 2 des Arbeitszeitgesetzes (ArbZG) ausdrücklich nur die Erfassung der über die werktägliche Arbeitszeit hinausgehende Arbeitszeit (Überstunden, Mehrarbeit) regelt und weil sich in § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG keine Aufzeichnungspflicht hineininterpretieren lässt. Die Entscheidung des EuGH wurde so verstanden, dass die Arbeitszeiterfassung nur dann den Vorgaben entspricht, wenn sie in elektronischer Form erfolgt. So weit ging das BAG allerdings nicht. Nach dessen Urteil genügt auch eine handschriftliche Arbeitszeiterfassung. Letztlich bleibt die Verletzung der Pflicht zur Arbeitszeiterfassung aber sanktionslos. Denn eine Bußgeldbewehrung ist im ArbSchG nicht vorgesehen.

Referentenentwurf aus dem
BMAS zur Arbeitszeiterfassung
Inzwischen legte das BMAS einen RefE namens „Gesetz zur Änderung des Arbeitszeitgesetzes und anderer Vorschriften“ (ArbZG-E) vor. Damit soll die Arbeitszeiterfassung gesetzlich geregelt werden. Insbesondere sind folgende Neuregelungen vorgesehen:

  • Verpflichtung des Arbeitgebers, Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit aufzuzeichnen (§ 16 Abs. 2 S. 1 ArbZG-E). Diese Aufzeichnung muss bereits jeweils am Tag der Arbeitsleistung erfolgen.
  • Die Erfassung der Arbeitszeit hat elektronisch zu erfolgen (§ 16 Abs. 2 S. 1 ArbZG-E), tarifvertragliche Abweichung soll möglich sein.
  • Die Aufzeichnung kann durch den Arbeitgeber erfolgen oder an die Arbeitnehmer delegiert werden (§ 16 Abs. 3 ArbZG-E), verantwortlich bleibt aber der Arbeitgeber. Die Übertragbarkeit der Aufzeichnungspflicht auf die Arbeitnehmenden wird insbesondere bei der Vertrauensarbeitszeit relevant.
  • Die Arbeitsvertragsparteien können weiterhin Vertrauensarbeitszeit vereinbaren, wobei die Vorgaben des öffentlich-rechtlichen Arbeitszeitschutzes einzuhalten sind.
  • Der Arbeitgeber muss bei Vertrauensarbeitszeit sicherstellen, dass ihm Verstöße gegen die Regelungen zu Dauer und Lage der Arbeitszeiten sowie zu Ruhezeiten bekannt werden § 16 Abs. 4 ArbZG-E), z.B. durch entsprechende Meldung eines elektronischen Arbeitszeiterfassungssystems.
  • Der Arbeitgeber muss Arbeitnehmer auf Verlangen über die aufgezeichnete Arbeitszeit informieren und eine Kopie der Aufzeichnungen zur Verfügung stellen (§ 16 Abs. 5 ArbZG-E). Es genügt, wenn die Arbeitnehmer die elektronischen Aufzeichnungen selbst einsehen und Kopien fertigen können. Dadurch wird sich für Arbeitnehmer die Geltendmachung von Überstunden erheblich vereinfachen.
  • Der Arbeitgeber hat die Arbeitszeitnachweise mindestens zwei Jahre aufzubewahren (§ 16 Abs. 2 S. 3 ArbZG-E). Er hat die erforderlichen Aufzeichnungen maximal für zwei Jahre in deutscher Sprache bereitzuhalten. Auf Verlangen der Aufsichtsbehörde sind die Unterlagen auch am Ort der Beschäftigung bereitzuhalten, bei Bauleistungen auf der Baustelle (§ 16 Abs. 6 ArbZG-E).
  • Abweichungsmöglichkeiten für Tarifverträge sind vorgesehen (§ 16 Abs. 7 ArbZG-E). So soll in einem Tarifvertrag oder auf Grund eines Tarifvertrags in einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung zugelassen werden können, dass die Aufzeichnung nicht in elektronischer Form erfolgen muss. Ferner könnte geregelt werden, dass die Aufzeichnung an einem anderen Tag erfolgen kann, spätestens aber bis zum Ablauf des siebten auf den Tag der Arbeitsleistung folgenden Kalendertages. Dann wäre der Gleichlauf mit dem MiLoG hergestellt.
  • Eine weitere Möglichkeit abzuweichen, soll laut Gesetzentwurf für Arbeitnehmer gelten, bei denen die gesamte Arbeitszeit wegen der besonderen Merkmale der Tätigkeit nicht gemessen oder im Voraus festgelegt wird oder von den ihnen selbst festgelegt werden kann. Nach der Begründung des Referentenentwurfs dürfte das Führungskräfte, herausgehobene Experten oder Wissenschaftler betreffen, die nicht verpflichtet sind, zu festgesetzten Zeiten am Arbeitsplatz anwesend zu sein.
  • Ohne Tarifvertragsgrundlage soll eine solche – sinnvolle und praxisgerechte – Ausnahme allerdings nicht möglich sein.

Übergangsregelungen
Im Referentenentwurf sind auch Übergangsregelungen vorgesehen: Die Aufzeichnungspflicht soll zwar mit Inkrafttreten des neuen Gesetzes gelten. Die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung in elektronischer Form soll aber erst ein Jahr nach Inkrafttreten des Gesetzes gelten; bis dahin bliebe auch die handschriftliche Aufzeichnung zulässig. Für Arbeitgeber mit weniger als 250 Arbeitnehmenden verlängert sich diese Übergangsregelung auf zwei Jahre, für Arbeitgeber mit weniger als 50 Arbeitnehmenden auf immerhin fünf Jahre. Arbeitgeber mit bis zu zehn Arbeitnehmern und Privathaushalte, die Hausangestellte beschäftigen, sind von der elektronischen, nicht aber Aufzeichnung der Arbeitszeit an sich ausgenommen. Unklar ist, ob für die Arbeitnehmerzahlen auf das Unternehmen oder den Betrieb abzustellen sein wird. Wie sich aus der Begründung ergibt, scheint jedoch der Betrieb gemeint zu sein.

Bußgeldregelungen
Neu ist nunmehr, dass ein Verstoß des Arbeitgebers gegen die Aufzeichnungspflichten und gegen Informationspflichten eine Ordnungswidrigkeit darstellt. Der Arbeitgeber handelt danach ordnungswidrig, wenn er vorsätzlich oder fahrlässig gegen seine Pflichten aus § 16 Abs. 2 des Referentenentwurfs verstößt. Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu 30.000 € geahndet werden.

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